Essen. . In Datteln droht eine Energielücke, denn auch das neue Kraftwerk liegt auf Eis. Woher kommen nun Bahnstrom und Fernwärme?

Neuer Rückschlag für Eon: Der Energiekonzern muss Ende 2012 seine Altkraftwerke Datteln 1-3 und Shamrock in Herne abschalten. Das geht aus Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Münster hervor. Die Konsequenzen sind weitreichend.

Eon muss nun die zugesagten Lieferungen von Bahnstrom und Fernwärme neu organisieren. Die Deutsche Bahn warnt vor einer möglichen Stromlücke. Und auch die politische Diskussion über den gestoppten Neubau des milliardenteuren Steinkohlekraftwerks Datteln 4 dürfte neu entfacht werden. „Wir gehen davon aus, dass Eon als börsennotiertes Unternehmen seine Verträge erfüllen wird“, so Umweltminister Remmel (Grüne). Eon will gegen die Nichtzulassung einer Revision beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen.

Der Streit um die Kraftwerke

Eon kämpft um die Betriebsgenehmigungen der Altkraftwerke. Der Hintergrund: 2006 hatte sich Eon gegenüber den Bezirksregierungen Arnsberg und Münster schriftlich verpflichtet, die über 50 Jahre alten Anlagen Ende 2012 stillzulegen. Sie hätten mit neuen Filteranlagen nachgerüstet werden müssen. Um diesen teuren Schritt zu vermeiden, hatte Eon die Abschaltung selbst beantragt.

Damals aber ging das Unternehmen davon aus, dass das neue Kraftwerk wie geplant ans Netz gehen und die alten Meiler ersetzen würde. Weil jedoch das Projekt in der Schwebe hing, widerrief Eon im Oktober 2010 die abgegebenen Stilllegungserklärungen, es habe sich nur um bloße Absichtserklärungen gehandelt. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) beschied: Eine einmal erklärte Stilllegungserklärung könne nicht mehr widerrufen werden.

Das Oberverwaltungsgericht Münster wies die Eon-Klage nun zurück. Die Verzichtserklärungen seien verbindlich, so das Gericht. Die Genehmigungen würden somit automatisch Ende 2012 erlöschen.

Die Folgen

Derzeit ist unklar, wie Eon langfristig die zugesagten Strommengen und Fernwärme liefern kann, wenn die Altkraftwerke nun abgeschaltet werden, das neue Kohlekraftwerk aber nicht ans Netz geht.

20 Prozent des Stroms für Züge kommen aus Datteln. Die Bahn hat einen Strombezugsvertrag mit Eon abgeschlossen. Ein Millionendeal: Aus dem Kraftwerk Datteln 4 (Leistung: 1100 Megawatt), dessen Neubau immer noch gestoppt ist, hat sie sich über 35 Jahre eine sogenannte Scheibe von 400 Megawatt gesichert. „Die benötigte Menge Strom ist erheblich. Wir sprechen von einem Drittel oder gar der Hälfte einer Kraftwerksproduktion“, sagte ein Bahn-Sprecher. „Falls das Szenario eintritt, dass die alten Kraftwerke abgeschaltet werden, Datteln 4 aber nicht ans Netz geht, haben wir ein Problem. Wir werden im Berufsverkehr zu wenig Strom haben.“

Die Lösungen

Ausgerechnet Eon-Konkurrent Steag könnte in die Bresche springen. Der fünftgrößte Stromerzeuger, mehrheitlich im Besitz von Stadtwerken, will 160 Megawatt liefern, mit einem sogenannten Umrichter am Kraftwerk Lünen. Diese Option und weitere Alternativen empfiehlt auch ein Gutachten, das Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) in Auftrag gegeben hatte.

Eon kämpft um die Stromverträge, will nun millionenteure Provisorien errichten, „die den Zeitraum bis zur alternativlosen und schnellstmöglichen Inbetriebnahme von Datteln 4 überbrücken“. So sollen die Nutzung von Grubengas sowie das Steag-Kraftwerk 4 in Herne Lücken in der Fernwärme-Versorgung füllen.

Zur Bahnstrom-Erzeugung will Eon nun in Datteln Umrichter installieren. Damit soll Strom aus dem öffentlichen Netz in Bahnstrom umgewandelt werden. Auf Nachfrage äußerte sich die Bahn skeptisch: „Man kann die Bahn nicht einfach ans öffentliche Stromnetz anschließen, als würde man den Stecker eines zusätzlichen Elektrogerätes in die Steckdose stecken.“

Möglicher Kompromiss: „Wir sind bereit, ein begrenztes Weiterlaufen der Anlagen über 2012 hinaus zu dulden“, sagte Minister Remmel. „Voraussetzung ist, dass Eon an den Tisch zurückkehrt und ernsthaft über Alternativen verhandelt.“ Eon hatte die Gespräche mit Düsseldorf im Dezember 2011 abgebrochen. Man strebe eine gerichtliche Entscheidung an, hieß es.