Essen.. Am Aschermittwoch beginnt in Düsseldorf eine neue Zeit für die Leiharbeit. Zum ersten Mal verhandeln die Arbeitgeber der Branche direkt mit der größten deutschen Einzelgewerkschaft über Löhne. Die IG Metall fordert mehr Geld für die rund 300 000 Leiharbeiter, die in der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt werden. Doch ein Abschluss könnte Signalwirkung für die gesamte Verleih-Branche mit ihren knapp einer Million Beschäftigten haben.
Seit vier Jahren macht die IG Metall Front gegen die Leiharbeit. In Kampagnen prangerte sie Dumpinglöhne und den Missbrauch von Leiharbeit zum Abbau von Stammkräften an. Nun hat sie es an den Verhandlungstisch geschafft. Zum einen, weil sie mittlerweile knapp 40 000 Leiharbeiter als Mitglieder gewonnen hat; zum anderen, weil die Verleihbranche sich in zwei großen Arbeitgeberverbänden organisiert hat und an ihrem Ruf arbeitet.
Beide Seiten betreten Neuland und sparen an den üblichen Tarif-Ritualen. Die IG Metall hat keine konkrete Forderung gestellt, die Zeitarbeitgeberverbände IGZ und BAP geben sich offen. Im Kern werden sie über einen Branchenzuschlag für die Metall- und Elektroindustrie verhandeln. Er wird nicht für eine gleiche Bezahlung von Leih- und Stammarbeitern reichen, wie IG-Metall-Verhandlungsführerin Helga Schwitzer einräumt. Um die Lohnlücke noch etwas mehr zu schließen, sollen die Betriebsräte in ihren Unternehmen aber die Möglichkeit erhalten, mit der Geschäftsleitung weitere „Einsatzzulagen“ auszuhandeln.
In Vollzeit 1200 Euro Lohn
„Leihbeschäftigte werden fast ausnahmslos erheblich schlechter bezahlt als Stammbeschäftigte. Das will die IG Metall ändern“, sagte Helga Schwitzer dieser Zeitung. Das Vorstandsmitglied der IG Metall wird neben NRW-Gewerkschaftschef Oliver Burkhard mit je zwei Vertretern der IGZ und des BAP verhandeln.
Derzeit sieht der allgemeine Tarifvertrag mit den DGB-Gewerkschaften in der Leiharbeit einen Mindestlohn von 7,89 Euro in Westdeutschland und 7,01 im Osten vor. Damit kommt ein Leiharbeiter in einem Vollzeit-Job auf rund 1200 Euro. Das ist kaum mehr als die Hälfte der untersten Lohnstufe in der Metallindustrie mit 2153 Euro.
Laut IGZ wird in Deutschland jeder dritte Leiharbeiter für Hilfstätigkeiten eingestellt. „Gerade in der Automobilindustrie müssen Unternehmen aber heute schon Aufschläge zahlen – auch, um Helferpersonal zu bekommen“, sagte IGZ-Geschäftsführer Werner Stolz.
Arbeitgeber in der Zwickmühle
Er wünscht sich eine „möglichst rasche Lösung“ mit der IG Metall und hätte nichts dagegen, wenn der Abschluss mit Branchenzuschlag für die Metaller als „Blaupause auch für andere Branchen“ diene. Andernfalls stünden weitere Verhandlungen etwa mit Verdi und der IG BCE an, die mit besonderem Interesse die Verhandlungen verfolgen.
Die Zeitarbeitgeber sehen sich erstmals in einer Zwickmühle. Da sie die höheren Löhne an ihre Kunden, die Metall-Arbeitgeber, weitergeben, können sie einen Branchenzuschlag verkraften und obendrein ihr Niedriglohn-Image aufbessern. Andererseits bekommen sie zusehens Konkurrenz vom anderen Ende der Lohnskala durch so genannte Werkverträge. Ausgegliederte Bereiche sind oft nicht tarifgebunden und werden noch schlechter bezahlt als die Leiharbeit. Deshalb warnt Stolz: „Man muss aufpassen, dass durch eine Verteuerung einfacher Tätigkeiten nicht die Türen der Zeitarbeit für Ungelernte zugemacht und für Werkverträge neue Türen geöffnet werden.“
Auch Leiharbeiter sollen streiken
Dir IG Metall ist sich dieser und weiterer Ausweichmöglichkeiten bewusst. So gilt es zu verhindern, dass wegen der Branchenzuschläge mehr Leiharbeiter als bisher in die unterste Lohngruppe einsortiert werden. Die Zuordnung der Entgeltstufe ist bei Leiharbeitern seit jeher eine heikle Frage in vielen Betrieben. Müssen Unternehmer grundsätzlich mehr Geld für Leiharbeiter zahlen, wächst die Versuchung, sie möglichst niedrig einzustufen.
Dass es sich erstmals um echte Tarifverhandlungen in der Leiharbeit handelt, macht eine Vorab-Drohung der IG Metall klar: Sie will diesmal auch Leiharbeiter zu Streikaktionen aufrufen – eine Premiere. Die Tarifrunde für die 3,6 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie findet nicht zufällig parallel statt. Stamm- und Leiharbeiter sollen, falls nötig, gemeinsam auf die Straße gehen.