Bochum.. Die Verhandlungen zum Verkauf der ThyssenKrupp-Edelstahlsparte an den finnischen Konzern Outokumpu sind in der Nacht zu Samstag unterbrochen worden. Outokumpu lehne die von den Arbeitnehmern geforderte Sicherung der deutschen Standorte kategorisch ab, sagte ein Insider.

Im Ringen um einen Verkauf der ThyssenKrupp-Edelstahlsparte an den Outokumpu zeichnet sich trotz steigenden Zeitdrucks noch keine Einigung zwischen der mächtigen ThyssenKrupp -Arbeitnehmervertretung und dem finnischen Konzern ab. Die Verhandlungen seien in der Nacht unterbrochen worden, sagte ein Sprecher der IG Metall am Samstag. Es fänden aber weiter Gespräche „auf allen Ebenen“ statt.

Outokumpu habe sich bei den Gesprächen, die sich bis weit in die Nacht erstreckten, „in keinster Weise“ bewegt und die von den Arbeitnehmern geforderte Sicherung der deutschen Standorte kategorisch abgelehnt, sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person. Ein zweiter Insider sagte, unmittelbar vor einer außerordentlichen Sitzung des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats am Dienstag solle ein neuer Anlauf für eine Einigung genommen werden. Das von Outokumpu präsentierte industrielle Konzept für die Zukunft der ThyssenKrupp-Edelstahlsparte Inoxum sei extrem vage, die Verhandlungen stünden nun „auf Messers Schneide“. Spitze sich die Lage weiter zu, stehe weiter eine Ablehnung der Pläne durch die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im Raum.

Damit könnte es im Kontrollorgan des Konzerns am Dienstag zur Kampfabstimmung kommen; entscheiden würde dann dann die Doppelstimme von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Boxt die Kapitalseite jedoch die Verkaufspläne gegen alle Widerstände durch, droht ein offener Konflikt mit den Beschäftigten, wie es in Kreisen der Arbeitnehmervertreter hieß. Bernd Kalwa, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, appellierte in Bochum bereits an den Konzernpatriarchen Berthold Beitz. Der Cromme-Vertraute müsse sicherstellen, dass ThyssenKrupp sich auch bei einem neuen Edelstahlkonzern engagiere.

KundgebungWeitreichende Garantien gefordert

Die bei ThyssenKrupp einflussreiche Arbeitnehmerseite fordert bei einem Verkauf von Inoxum Garantien für Arbeitsplätze und Werke. Ansonsten werde man die Verkaufspläne ablehnen, so der IG-Metall-Vertreter und stellvertretende ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Bertin Eichler. ThyssenKrupp müsse auch nach einem Verkauf in der Verantwortung bleiben. Die Arbeitnehmer fürchten, dass bei einer Übernahme durch den finnischen Edelstahlkonzern Produktionsanlagen in Krefeld und Bochum mit etwa 1000 Beschäftigten vor dem Aus stehen - und letztlich sogar beide Werke insgesamt: „Die Werke sind extrem bedroht“, hieß es in Arbeitnehmerkreisen. Es herrsche „Alarmstufe Rot“.

Outokumpu verfügt bereits über eigene Produktionsstätten in Europa. Die Finnen produzieren unter anderem in ihrem Heimatland, Großbritannien und Schweden. Zudem hatte die Arbeitnehmerseite mit dem Essener Konzern-Vorstand Verträge geschlossen, die auf eine Sicherung von Arbeitsplätzen und Werken abzielen. Darauf pocht sie nun. Würden Zusagen nicht eingehalten, stehe ThyssenKrupp ein „harter Kampf“ ins Haus, warnte Eichler. „ThyssenKrupp muss mindestens 30 Prozent an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen halten“, forderte Vize-Aufsichtsratchef Eichler. Outokumpu müsse zudem belastbare Pläne für die Zukunft von Inoxum vorlegen.

Das Ziel: größter Edelstahlproduzent Europas

Der ThyssenKrupp-Vorstand und Outokumpu wollen den größten Edelstahlproduzenten Europas schmieden. Damit dürfte auch Bewegung in die seit langem erwartete Konsolidierung der konjunkturabhängigen Branche kommen, die auch unter Überkapazitäten leidet. Neben Inoxum und Outokumpu gehören die ArcelorMittal -Abspaltung Amperam und Acerinox aus Spanien zu den wichtigsten Konzernen der Branche.

Experten haben den Wert der ThyssenKrupp-Tochter Inoxum auf ein bis zwei Milliarden Euro beziffert. Die Sparte hatte im vergangenen Geschäftsjahr mit über 11.000 Beschäftigten - etwa die Hälfte davon in Deutschland - den Umsatz um 14 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro gesteigert. Allerdings lag der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) mit 15 Millionen Euro nur knapp über der Null-Linie.

Der auf Edelstahl spezialisierte finnische Outokumpu-Konzern hatte 2010 mit über 8000 Beschäftigten einen Umsatz von rund 4,2 Milliarden Euro eingefahren - und schrieb in den vergangenen Jahren operative Verluste. In Deutschland hat der finnische Konzern seit über 20 Jahren im nordrhein-westfälischen Willich eine Niederlassung. Der Konzern ist für die ThyssenKrupp-Arbeitnehmer kein Unbekannter - 2003 hatte er bereits einen Bereich übernommen. „Drei Jahre später waren die Beschäftigten ihre Jobs los“, erinnert sich Eichler. Outokumpu will am 1. Februar seine Ergebnisse für das Jahr 2011 vorlegen - einen Tag nach der geplanten Aufsichtsratssitzung bei ThyssenKrupp.

In Deutschland gehören das über 100 Jahre alte Traditionsunternehmen Nirosta und die Werkstofftochter VDM zu der ThyssenKrupp-Sparte Inoxum. Große Standorte sind Krefeld, Bochum und Düsseldorf-Benrath. Im Ausland zählen Werke in Italien, Mexiko, den USA und China dazu. (rtr)