Essen. . Die Einführung einer Steuer auf alle Börsengeschäfte soll den ausufernden Handel mit Finanzprodukten eindämmen. Doch die Schwierigkeiten abseits der britischen Blockadehaltung zu einer Finanztransaktionssteuer liegen im Detail. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.
Die erste Bankenkrise hat die Weltwirtschaft erschüttert, die zweite ist dabei, Staaten zu ruinieren. Zeit, die Finanzmärkte erstens zu zähmen und zweitens an den Kosten der Krise zu beteiligen – so in etwa begründen Kanzlerin und Opposition ihre Forderung nach einer Börsensteuer. Das ist so eingängig, dass die meisten Bürger wohl zustimmen würden. Doch so einfach ist es nicht. Die wichtigsten Fragen und Fallstricke:
Weniger Spekulation, mehr Geld?
Der erste Widerspruch liegt bereits in den beiden Ausgangszielen: Weniger Spekulation, mehr Steuereinnahmen. Nach den Vorschlägen der EU-Kommission soll ab 2014 eine Steuer von 0,1 Prozent auf Wertpapiergeschäfte und 0,01 Prozent auf den Derivatehandel 57 Milliarden Euro im Jahr einbringen. Nur: Je mehr die Steuer tatsächlich Spekulanten abschreckt, desto weniger Steuern fließen.
So geschehen in Schweden. 1984 führte das Land eine Börsenumsatzsteuer ein, die eine durchschlagende Wirkung erzielte: Der Parketthandel brach in sich zusammen, der schwedische Staat schöpfte nur einstellige Millionensummen ab und die Händler wanderten in Massen nach London ab. Genau davor warnt nun auch die Branche in Deutschland, weil Großbritannien bei einer europaweiten Finanztransaktionssteuer nicht mitmachen will.
Regulierung, Einnahmequelle oder ethische Pflicht?
Die Politik muss demnach schon sagen, was sie mit einer Börsensteuer erreichen will. Den Handel eindämmen und gleichzeitig viele Steuern einnehmen, funktioniert nicht. Ein gewichtiges Argument zielt auf die Gerechtigkeit. Warum wird auf jede Handwerker-Leistung Umsatzsteuer fällig, nicht aber auf Börsengeschäfte? Die Realwirtschaft, die noch greifbare Waren produziert und handelt, sieht sich benachteiligt.
„Wir müssen dem Treiben der Märkte etwas entgegensetzen, weil sie nicht mehr mit Werten handeln, sondern nur noch mit Luftblasen“, sagt Wolfgang Schulhoff, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf. Als Deutschland seine Börsenumsatzsteuer 1991 abgeschafft hat, habe man mehr Kapital in Arbeitnehmerhände bringen wollen. „Wir wollten Volksaktien beflügeln. Damals konnte sich doch niemand vorstellen, dass einmal Computer den Börsenhandel übernehmen würden.“
Entsprechend sieht Schulhoff den Zweck einer Börsensteuer auch nicht in der Steuerbeschaffung, sondern in der Verhinderung von Risikogeschäften, „um wieder Ruhe in den Aktienmarkt zu bringen“. Das sei auch für die dort notierten Unternehmen wichtig.
London hat doch eine Börsensteuer, warum wir nicht?
Tatsächlich fällt in London auf Aktiengeschäfte eine Stempelsteuer von 0,5 Prozent an. Dass sich die Regierung dennoch so vehement gegen die Brüsseler Pläne wehrt, hat einen guten Grund: Die meisten Hochrisikogeschäfte in London sind ausgenommen. Weder auf Währungsspekulationen noch auf Wettgeschäfte mit Rohstoffen und Anleihen wird das britische Stempelgeld erhoben. Deshalb floriert gerade in London City der Turbohandel mit Computern. Sie reagieren selbstständig auf die kleinste Veränderungen und verschieben binnen Sekunden zig Milliarden Euro.
Gerade diesen „Hochfrequenzhandel“ will die EU aber eindämmen. Er beeinflusst zum Beispiel Währungskurse, indem mit riesigem Kapitaleinsatz kleinste Kursdifferenzen zu Geld gemacht werden. Die für den globalen Handel so wichtigen Wechselkurse zu schützen, war nicht von ungefähr der Ursprung für die Idee der „Tobin-Steuer“. Deren Namenspatron James Tobin wollte mit ihr den Handel mit Währungen besteuern und so gezielt eindämmen, um stabile Wechselkurse zu erreichen.
Trifft eine Börsensteuer auch den einfachen Sparer?
Das größte Problem einer Finanztransaktionssteuer ist die Zielgenauigkeit. Keiner der Politiker, die sie fordern, will dem Riester-Sparer schaden. Doch ausschließen kann er es nicht. Riesterfonds wälzen ihr Kapital zwar nicht täglich, aber doch mehrmals im Jahr um. Fondsmanager verkaufen und kaufen Papiere, um die gewünschte Rendite zu erzielen. Eine Börsenumsatzsteuer senkt die Rendite automatisch mit jeder Transaktion – oder indirekt, wenn die Fondsmanager aufgrund der Steuer schlechte Papiere länger halten. Wie viel das den einzelnen Sparer kostet, ist umstritten. Die Schätzungen der Experten reichen bei Riester-Sparern mit einem Bruttojahreseinkommen von 30 000 Euro von zwei- bis vierstelligen Beträgen binnen 20 Jahren.
Wandert das Kapital aus Deutschland ab?
Sollte Kontinentaleuropa ohne Großbritannien eine Börsenumsatzsteuer einführen, droht Kapitalflucht – sagen die Banker. Brüssel will das verhindern, indem die Steuer am Wohnsitz erhoben wird. Eine Bank, die in Frankfurt sitzt, müsste demnach auch Steuern auf Geschäfte zahlen, die sie in London tätigt. Bei der Ansiedlung von Finanzinvestoren wäre London dennoch im Vorteil. Und ob der Wohnort in Zeiten des Computerhandels zuverlässig bestimmt werden kann, bezweifeln viele.