Washington/Detroit. .
Jonathan Browning ist kein Sprinter. Der VW-Chef in Amerika läuft Marathon und durchmisst die britische Insel manchmal von Nord nach Süd. Mit dem Rad. Ausdauer also. Beständigkeit. Dazu passt die Fernsehwerbung für den neuen „Passat“, der gerade von einer Fachzeitschrift als Amerikas „Autos des Jahres 2012“ ausgezeichnet wurde.
Einsame Straße, im Hintergrund landschaftliche, menschenleere Pracht. Und in der Mitte ein Auto, das auf der Straße liegt wie ein langer, ruhiger Fluss in seinem Bett. Und das preiswert. Das neue, wertiger erscheinende Modell kommt in der Basis-Ausstattung 7000 Dollar billiger in den Handel als der als Billighuber bekrittelte Vorgänger. Solche Nachlässe und Vorteile bei der Produktion sind zwei Gründe, warum der Name VW dieser Tage auf der Autoshow in Detroit am häufigsten auftaucht, wenn vom „little German car wunder“ die Rede ist.
Die Zahlen sind ja auch wirklich nicht ohne: VW bringt im abgelaufenen Jahr rund 445 000 Einheiten auf den Markt – 23 % mehr als 2010. Daimler (inklusive Smart) schafft 267 000 Wagen – 16 % mehr. BMW (zusammen mit Mini) kann rund 306 000 Käufer überzeugen - plus 15 Prozent. Insgesamt haben deutsche Autobauer es 2011 auf einen Marktanteil von acht Prozent in den USA gebracht, drei Prozent mehr als 2005.
500 000 Volkswagen angepeilt
Damals, vor der an der Wall Street geborenen Weltfinanzkrise, wurden in Amerika 17 Millionen Autos verkauft. Zuletzt waren es knapp 13 Millionen. Die Hälfte davon ging auf das Konto der landeseigenen großen Drei – General Motors, Ford und Chrysler. Toyota kam trotz der Atom-Katastrophe in Fukushima und daraus resultierenden Behinderungen allein auf 13 Prozent, das Duo Hyundai/Kia auf neun.
Luft nach oben also, konstatierte VW-Manager Browning und gab für 2012 die Zielmarke 500 000 aus. Im Mittelpunkt steht dabei eine kleine Stadt im Südosten, die in Europa vor allem durch den Swing-Papst Glenn Miller und seinen „Choo Choo“ bekannt wurde: Chattanooga. Für das vor gut einem Jahr eröffnete Werk in Tennessee hat VW bundesstaatliche Zuschüsse von rund 560 Millionen US-Dollar bekommen. Um die 2500 Stellen hatten sich 85 000 Männer und Frauen aus der strukturschwachen Region beworben.
Unterschiede bei Löhnen
Weil die rund um Detroit mächtige Gewerkschaft UAW im tiefen Süden keine feste Größe ist und viele Arbeiter organisiert sind, kann VW mit Billiglöhnen von 14,50 Dollar die Stunde einsteigen. Nach drei Jahren kann sich ein Arbeiter auf 19,50 Dollar verbessern. Ein anerkanntes Branchen-Institut aus Michigan hat errechnet, dass die Wolfsburger, Lohnnebenkosten eingerechnet, bei Stundenlöhnen um die 30 Dollar rauskommen. Toyota, BMW und Daimler liegen in USA bei 50 Dollar, die heimischen Hersteller Ford und GM bei über 65. Handfeste Unterschiede.
Detroit 2012
Hinzu kommen, so bestätigte jüngst ein Washingtoner Nissan-Händler (der privat Mercedes fährt) dem Beobachter, das Image. German Cars seien für viele Amerikaner noch immer mit dem „Qualitäts- und Freiheitssiegel Autobahn“ verbunden. Die Gewissheit, notfalls spursicher mit 120 Meilen auf dem Tacho auf den Freeway auffahren zu können, auch wenn dann meist nur noch maximal 65 Meilen (rund 100 km/h) erlaubt sind, „finden wir Amis einfach cool“.
Deutsche Werke in USA
Folglich hegen und pflegen die deutschen Marken den Markt. Daimler (seit 1997 in Tuscaloosa/Alabama) und BMW (seit 1992 in Spartanburg/South Carolina) wollen sich vergrößern, im gehobenen Segment geben sie den Ton an. Selbst Audi plant einen Neubau, der Erfahrung folgend, dass in Amerika nur was geht, wenn man vor Ort ist. Dass VW die ehrgeizigsten Ziele verfolgt, Opel darf in Amerika auf Geheiß der Konzernmutter GM nicht mitspielen, ist in Detroit noch einmal bekräftigt worden. Um bis 2018 der weltweit größte Autobauer zu werden, so das Ziel von VW, muss der Verkauf in USA weiter angekurbelt werden.
Allerdings drohen Unwägbarkeiten. So drängt die Obama-Regierung die Auto-Industrie, den durchschnittlichen Verbrauch des gesamten US-Wagenparks im Jahr 2025 auf 4,3 Liter zu drosseln. Heute sind es rund acht Liter. Weil aber Pick-Up-Trucks und Geländewagen in den USA noch immer mit Abstand die beliebtesten fahrbaren Untersätze sind und hier die (schwer schluckenden) US-Riesen General Motors, Chrysler und Ford den Markt dominieren, hat Obama den heimischen Anbietern eine Extrawurst in Aussicht gestellt. Jonathan Browning soll bereits an einer Antwort arbeiten. Die Ausdauer dazu hat er ja.