Essen. Im Zuge der Energiewende hat sich ein Streit zwischen der Industrie und der Stromwirtschaft entzündet. Unternehmen klagen über Stromausfälle und Frequenzschwankungen – und machen dafür den Atomausstieg verantwortlich. Experten weisen diese These zurück.

Geht das Licht doch aus nach dem beschlossenen Atomausstieg? Am frühen Donnerstag Morgen jedenfalls war der Saft für einige Minuten weg in Teilen von Bochum und Wattenscheid. Auch in Dortmund und Hagen standen die Menschen vor einigen Tagen für ein paar Momente im Dunkeln. Doch die Ursachen dieser Ausfälle klärten sich schnell. Defekte an Transformatoren und Kabeln – sowie im Fall Bochum ein Kran, der eine Hochspannungsleitung touchierte und so die Störung auslöste.

Allerdings: Es gibt Klagen von Unternehmen, die der Meinung sind, dass sie unter den Folgen der Energiewende leiden. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) mit Sitz in Essen berichtet von Unterbrechungen in der Stromversorgung von Unternehmen, die im Bereich von Millisekunden lägen, aber dennoch die Produktion störten. „Minimale Ausfälle und Spannungen im Netz können empfindliche Maschinen durcheinander bringen“, sagt VIK-Hauptgeschäftsführerin Annette Loske. Die Stromqualität müsse für die Betriebe gleichbleibend vorhanden sein. Doch immer mehr Unternehmen klagten, dass dies nicht der Fall sei.

Keine gesicherte Datengrundlage

Das Handelsblatt zitiert aus einem Brief des Aluminiumherstellers Norsk-Hydro, in dem von einer „beunruhigenden Häufung von Netz- und Frequenzschwankungen“ die Rede ist. Allerdings: Der VIK musste auf Nachfrage einräumen, dass man gar nicht über eine gesicherte Datengrundlage verfüge. Bei einer Beschwerde habe sich gar herausgestellt, dass eine Störung auf das Hochfahren eines Kohlekraftwerks zurückzuführen gewesen sei. Um ein besseres Bild zu bekommen, will der VIK Anfang 2012 seine rund 350 Mitgliedsunternehmen zu diesem Problem befragen. Im Februar sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Bei Experten wird die These der schwankenden Stromqualität mit einer guten Portion Skepsis betrachtet. „Wir haben keine Daten, die die Aussagen des VIK belegen“, so Rudolf Boll, Sprecher der Bundesnetzagentur. Allerdings werde man gerne das Gespräch mit dem VIK und Unternehmen suchen, um auszuloten, ob höhere Ansprüche an die Versorgung nötig sind. „Allerdings stellt sich dann die Frage, wer eine Verbesserung bezahlt“, stellt Boll eine heikle Frage in den Raum.

Netzbetreiber weisen Probleme zurück

Ein Sprecher der RWE Deutschland AG, einer der großen Verteilnetzbetreiber, weist darauf hin, dass die Bestimmungen für die Stromversorgung Schwankungen in engen Grenzen erlauben, ohne dass die Qualität eingeschränkt werde. Diese Standards würden eingehalten. Christian Nabe, Netzexperte beim Energieberatungsunternehmen Ecofys, hält es für sehr gewagt, die Energiewende für Stromschwankungen verantwortlich zu machen. So werde die Frequenz im Stromnetz europaweit reguliert, das deutsche Netz sei lediglich ein Teil des Systems.

Auch beim Dortmunder Übertragungsnetzbetreiber Amprion stößt die VIK-Aussage auf Widerspruch. Die Ausfälle, auf die Norsk Hydro hingewiesen habe, seien nicht Folge der Energiewende. Zwar gebe es seit dem Abschalten der sieben Atomkraftwerke mehr Regulierungsbedarf im Hochspannungsnetz, die Qualität leide darunter aber keinesfalls. Beim Netzbetreiber Tennet betont man, dass die Situation seit dem Frühjahr angespannt, aber stabil sei.