Essen. . Kabelnetzbetreiber Unitymedia will 2012 eine Plattform starten, die TV und Internet-Bezahlinhalte miteinander verknüpft. Im Gespräch mit DerWesten kündigt Unitymedia-Chef Lutz Schüler an, die Plattform auch für Dritte zu öffnen. Vorbild ist der App-Store von Apple.

Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia will im kommenden Jahr eine eigene Plattform für Internet-Fernsehen anbieten. Das „Horizon“ genannte Angebot soll im zweiten Quartal 2012 in Deutschland an den Start gehen. „Horizon könnte für das Fernsehen werden, was das iPhone für den Mobilfunk ist“, sagte Unitymedia-Chef Lutz Schüler im Interview mit DerWesten.

Das Bundeskartellamt verspricht sich trotz des Zusammenschlusses von Unitymedia und KabelBW mehr Wettbewerb, weil Sie sich verpflichtet haben, Wohnungsgesellschaften ein Kündigungsrecht einzuräumen. Rechnen Sie jetzt mit reihenweise Kündigungen?

Schüler: Die Verpflichtung war unser Zugeständnis für den Zusammenschluss. Wir sehen uns aber weiterhin in einer hervorragenden Marktposition, weil wir ein sehr gutes Netz haben. Und Sie können sich darauf verlassen, dass wir alles daran setzen werden, unsere Kunden zu halten.

Kürzlich mussten Sie allerdings eine Schlappe hinnehmen: Die Deutsche Annington hat sich mit der Deutschen Telekom auf eine strategische Partnerschaft geeinigt. Die Telekom wird künftig das TV-Angebot für 171.000 Annington-Mieter liefern. Schmerzt Sie das?

Schüler: Natürlich lässt es uns nicht kalt, dass wir die Deutsche Annington als Kunden verloren haben. Wir sind aber nicht bis ins Mark erschüttert. Und die Telekom muss erst einmal beweisen, dass sie ihr Angebot reibungslos an den Start bekommt.

Ihr Konkurrent hat angekündigt, dafür sein Glasfasernetz auszubauen. Wie sehen Ihre Ausbaupläne aus?

Schüler: Mit unserem Netz sind heute schon Bandbreiten von bis zu 400 Megabit möglich – und das mit aktueller Technik. Zudem investieren wir über 25 Prozent unseres Umsatzes in den Netzausbau. Und wir werden weiterhin investieren. Wir wollen unseren Wettbewerbsvorteil ja nicht verspielen.

Und wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Schüler: Wir wollen noch mehr Kunden für unser Kombi-Angebot aus TV, Telefon und Internet gewinnen. Bislang nutzen das nur etwa ein Fünftel unserer 4,5 Millionen Kunden. In anderen Ländern, etwa in Spanien, ist die Quote der Menschen, die über ihren Kabelanschluss auch telefonieren, wesentlich höher. Da müssen wir hinkommen.

Profitieren die Kunden auch von mehr Wettbewerb? Wird der Kabelanschluss günstiger?

Schüler: Das müssen Sie die Wohnungsgesellschaften fragen. Wenn es denen gelingt, günstigere Konditionen mit uns oder der Konkurrenz zu vereinbaren, dann steht es den Gesellschaften natürlich frei, diese an ihre Mieter weiterzugeben.

Im Privatkundengeschäft setzen wir stattdessen auf stabile Preise. Dafür dürfen sich unsere Kunden über mehr Leistungen freuen – zum Beispiel über eine größere Programmvielfalt und höhere Bandbreiten beim Internet.

Anbieter wie Vodafone setzen auf die neue Funktechnik LTE, um hohe Bandbreiten kabellos anzubieten und darüber auch TV-Angebote zu realisieren. Erwächst Ihnen da weitere Konkurrenz?

Schüler: Das glaube ich nicht. LTE ist eine Technik, die vor allem für junge Menschen, die viel unterwegs sind, interessant ist. Sie können davon ausgehen, dass die Übertragungsraten im Festnetz in der gleichen Weise steigen werden wie im Mobilfunk. Für ländliche Gebiete, in denen keine Breitband-Anschlüsse in der Erde liegen, ist LTE aber eine echte Alternative.

Sehen Sie eine Gefahr für Ihr Geschäft durch Apple oder Google? Wie bewerten Sie die Ambitionen der beiden US-Unternehmen, TV-Bezahlinhalte anzubieten?

Schüler: Sie müssen hier zwischen dem Netzbetreiber und dem Diensteanbieter Unitymedia unterscheiden. Wir können den Nutzern ja nicht vorschreiben, welche Angebote sie im Internet nutzen. Das gilt natürlich auch für Bezahlinhalte von Apple und Google.

Aber wir wollen mit einem eigenen Angebot an den Start gehen. Unsere „Horizon“-Plattform wird Anfang nächsten Jahres in den Niederlanden gestartet und soll in der zweiten Jahreshälfte auch nach Deutschland kommen.

Was ist „Horizon“?

Schüler: „Horizon“ könnte für das Fernsehen werden, was das iPhone für den Mobilfunk ist. Wir wollen eine Plattform etablieren, die es unabhängigen Entwicklern ermöglicht, Ihre Produkte über unser Netzwerk anzubieten. Auch „Horizon“ wird mit Apps arbeiten, kleinen Programmen, die etwa das TV-Programm ordnen oder aber bestimmte Internet-Angebote vereinfachen.

Sie weigern sich bislang, hochauflösende Programme des Bezahlsenders Sky in vollem Umfang in ihr Netz einzuspeisen. Was sagen Sie den Sky-Kunden?

Schüler: Wir weigern uns nicht grundsätzlich Sky einzuspeisen. Aber selbstverständlich ist dies eine Frage der kommerziellen Bedingungen. Wir werden uns im kommenden Jahr auch in dieser Hinsicht mit Sky einigen. Davon bin ich überzeugt. Und dann wird auch die Zahl der Sky-HD-Programme in unserem Netz größer werden.

Im April 2012 wird das analoge TV-Signal via Satellit abgeschaltet. Sind auch Unitymedia-Kunden indirekt betroffen?

Schüler: Nein. Sie werden bei uns weiterhin analoge TV-Programme empfangen können. Wir sehen in der Abschaltung sogar eine Chance. Vor allem ältere Leute scheuen den Umbau ihrer Sat-Anlage, weil sie fürchten, mit der neuen Technik nicht klarzukommen. Und die wollen wir als Neukunden für unser Angebot gewinnen.

Unitymedia wurde oft für mangelnden Service kritisiert. Wann wird das besser?

Schüler: Engpässe im Servicebereich aufgrund des starken Wachstums haben wir überwunden, indem wir Prozesse optimiert und Schulungen intensiviert haben. Zudem stocken wir unser Personal auf. So schaffen wir auch neue Jobs.