Essen. . Der Vizechef der Industriegewerkschaft Metall, Detlef Wetzel, reklamiert Industrie-Dienstleister für seine Gewerkschaft und will höhere Löhne durchsetzen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zeigt sich verärgert.

Als Frank Bsirske vor einem Jahr in der Dortmunder Westfalenhalle den Bankern beide Mittelfinger entgegen streckte, schüttelten die Funktionäre der IG Metall und der IGBCE einmal mehr die Köpfe über den Verdi-Chef. Große Gesten, kleine Abschlüsse, sticheln sie mitunter. Nun droht ein offener Bruderstreit, weil IG-Metall-Vize Detlef Wetzel die Industrie-Dienstleister zum Kampfgebiet erklärt hat.

„Wir erklären uns zuständig für die gesamte Wertschöpfungskette“, sagte Wetzel der Frankfurter Rundschau. Die Industrie gliedere immer mehr Dienstleistungen wie Logistik, Wartung und Vormontage aus. Mit der Folge, dass diese Jobs oft „außerordentlich schlecht bezahlt“ würden. Oft, weil gar kein Tarif gezahlt wird. Doch ohne Verdi zu nennen, kritisierte Wetzel auch deren Haustarifverträge.

Bei Verdi ist die Botschaft angekommen

„Wir wollen Verdi nicht ausbooten“, versicherte gestern die Frankfurter IG-Metall-Zentrale. Wetzel sei missverstanden worden, von Häuserkampf keine Spur. Doch bei Verdi war die Botschaft bereits angekommen. „Gut gebrüllt, Löwe“, sagte Günter Isemeyer, Verdi-Sprecher in NRW. Es gebe „schwierige Bereiche“ bei den Industrie-Dienstleistern. Doch gerade dort, wo klare Zuständigkeiten fehlten, sei es wichtig, dass Gewerkschaften sich abstimmten. „Das fördert man nicht durch Interviews“, sagte Isemeyer.

Hinter dem Gezänk steckt ein ernsthaftes Problem für beide Gewerkschaften: Fast alle Industriekonzerne machen sich schlank. Der Maschinenpark wird von Fremdfirmen gewartet, Autoteile vorproduziert und -montiert, Logistik und IT ausgelagert. „Im Fahrzeugbau gibt es doppelt so viele Industrie-Arbeiter wie die Statistik ausweist. Wir wollen nicht, dass Teile der Belegschaften ausgegrenzt werden“, sagt Wolfgang Nettelstroth, IG-Metall-Sprecher in NRW.

Er betonte aber, der Ehrgeiz der IG Metall gelte vor allem jenen Bereichen, in denen es noch gar keine oder niedrige Werkstarifverträge gebe. Zu beobachten sei dies zunehmend im Maschinenbau. Betriebe mit Werksverträgen würden oft mit Leiharbeitern bestückt. „Was nicht geht, ist, dass sich für einen Betrieb niemand mehr zuständig fühlt.“ Ziel der IG Metall sei es, bei Ausgliederungen für die Beschäftigten auch im neuen Betrieb zuständig zu bleiben.

Offene Konkurrenz zu Verdi

Doch zuweilen tritt die größte deutsche Einzelgewerkschaft auch offen in Konkurrenz zu Verdi. So ersetzte die IG Metall beim Zwickauer Logistiker Schnellecke den Verdi-Tarifvertrag durch einen eigenen. Nicht ohne Stolz betont die Zentrale, dort habe man für die Mitarbeiter vier Tage mehr Urlaub, eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden und Tariferhöhungen von bis zu 400 Euro im Monat herausgeholt. Man sei bei zu vielen Ausgliederungen „nicht mitgegangen“, erklärt eine Sprecherin und kündigt selbstbewusst an: „Nun wollen wir Terrain zurückgewinnen.“

Doch im Kampfgebiet der Industrie-Dienstleister bewegt sich auch Verdi. Die Gewerkschaft hat Erfahrung mit Überschneidungen. Bei den Chemie-Dienstleistern heißt die Konkurrentin IGBCE, ebenso bei den Energie-Riesen Eon und RWE. Im öffentlichen Dienst und bei der Bahn ärgern Spartengewerkschaften die Verdianer. Das kostet Mitglieder, Geld und Einfluss. Machtdemonstrationen klassischer Industriegewerkschaften kommen daher schlecht an bei der Gewerkschaft mit den meisten und schwierigsten Branchen. „Im Stahl würde ich auch gern mal Tarifverhandlungen machen“, ätzt einer, der für Kassiererinnen kämpft, die weder Mut noch Geld haben, einer Gewerkschaft beizutreten.