Berlin. . Ungeachtet der immensen Staatsverschuldung ist Italien die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einem Brutooinlandsprodukt von rund 1400 Milliarden Euro .

Kann die große Industrienation Italien pleite gehen wie das in weiten Teilen unterentwickelte Griechenland? Die Heimat von Fiat und Ferrari, Mode- und Möbelmachern und vielem mehr? Glaubt man den Investoren an den Finanzmärkten, ist es schon fast so weit. Über sieben Prozent Zinsen müssen die Italiener derzeit bezahlen, wenn sie neue Anleihen platzieren. Das ist eine Größenordnung, bei der andere Euroländer schon schlapp gemacht haben. Dabei trägt Italien schon lange einen riesigen Schuldenberg mit sich herum, ohne dass die Zahlungsfähigkeit jemals in Zweifel gezogen wurde.

Der Chefanalyst der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, hat keine rationale Erklärung für die Haltung der Märkte, nachdem Regierungschef Silvio Berlusconi als größter Vertrauenszerstörer nun seinen Rückzug erklärt hat. Der Devisenexperte bezeichnet die Bewertung des Landes als „absurd“. Denn der Staat erzielt mehr Überschüsse als andere Länder, aus denen er den Zinsdienst leisten kann. Italien verfügt über ein hohes Produktivvermögen, und die privaten Haushalte sind nur in geringem Maße verschuldet.

Selbst der hohe Verschuldungsgrad von fast 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ist im Vergleich zu den anderen großen Industrienationen mäßig. Japan weist mit 200 Prozent den Spitzenwert aus. Auch die USA sitzen auf einem Berg von Miesen, der so hoch ist wie das BIP. „Man sollte sehen, dass das Land nicht so schlecht da steht, wie immer behauptet wird“, warnt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Dem viel gescholtenen Berlusconi gelang es sogar, die Verschuldung leicht zu verringern, bevor die Finanzkrise die Schuldenkurve wieder ansteigen ließ.

Italien ist die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt mit einem BIP von rund 1400 Milliarden Euro . Doch es fehlt an Wachstumsperspektiven. Im vergangenen Jahr legte die Wirtschaftsleistung nur um 1,3 Prozent zu. Deutschland verbuchte ein Plus von 3,6 Prozent. Diese Schwäche hält in Italien schon lange an. Die Regierung hat es nach Hellmeyers Einschätzung aber versäumt, das Land durch Reformen weiter zu entwickeln. Die Produktivität der Industrie ist seit Beginn des Jahrhunderts leicht zurückgegangen und liegt weiter unter dem Durchschnitt der EU. Bei den Lohnstückkosten verzeichnete Italien nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie im gleichen Zeitraum einen steilen Anstieg. Bei der Entwicklung der Exportwirtschaft trägt der Stiefel sogar die rote Laterne. Das Land führt deutlich mehr Waren ein als aus.

Wohl auch deshalb fordern die italienischen Unternehmensverbände Reformen, die das Land wieder auf einen beschleunigten Wachstumskurs bringen. Ein Sorgenkind ist das Rentensystem, das enorme Beträge verschlingt, weil die Italiener vergleichsweise früh in den Ruhestand gehen und die Bezüge vergleichsweise hoch sind. Gespart wird zwar an allen Ecken und Enden, bei kulturellen Einrichtungen und im Gesundheitssystem.

„Strukturelle Reformen zur Stärkung des Wirtschaftswachstums werden dagegen nur unzureichend vorgenommen“, kritisieren die Länderexperten der Deutschen Bank. Auf dem Arbeitsmarkt, beim Bürokratieabbau oder im Dienstleistungssektor sehen sie Handlungsbedarf. So haben junge Menschen zu Beginn des Berufslebens schlechte Karten. 28 Prozent der unter 25-Jährigen sind arbeitslos. Bei den Bildungsinvestitionen liegt das Land auf dem 13. Rang der Industrieländer. Italien ist ein Rechtsstaat, aber dessen Mühlen mahlen sehr langsam. All das gehört zu den Wachstumshemmnissen.

Der Rücktritt Berlusconis löst noch keines dieser Probleme. Deshalb kann die hohe Verschuldung ohne die Hilfe anderer Staaten zum finanziellen Kollaps führen.