. . Der CDU-Plan für eine Lohnuntergrenze soll auch niedrige Tariflöhne ersetzen, etwa bei Friseuren oder im Hotelgewerbe. Auch die FDP bereitet eine Kehrtwende vor. Im November sollen Parteitage entscheiden.

Mehr als zwei Millionen Menschen arbeiten in Deutschland zu Stundenlöhnen von unter 6,50 Euro. Die Friseurin in Brandenburg zum Beispiel erhält 3,05 Euro, der Buchbinder in NRW 5,83 Euro. Ihnen würde ein allgemeiner Mindestlohn, wie ihn nun auch die CDU diskutiert, helfen. Auch die FDP bereitet eine Kehrtwende vor, in beiden Fällen sollen in diesem November die jeweiligen Bundesparteitage den neuen Kurs absegnen.

Wie in solchen Programmdebatten üblich, wird um die Details bis zur letzten Sekunde gerungen. Die Wirtschaftsflügel in CDU und FDP formieren sich bereits. Doch von den lästigen Details wird maßgeblich abhängen, wie viele Menschen von dem Mindestlohn profitieren würden.

Großteil der Niedriglöhner wird ausgeschlossen

Schon eine Formulierung im Antrag zum CDU-Parteitag sperrt einen Großteil der Niedriglöhner aus, würde sie wörtlich genommen. Die Untergrenze solle in den Bereichen gelten, „in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert“. Die oben genannten Minilöhne sind aber Tariflöhne. Wären sie nicht gemeint, würde der Mindestlohn einem Großteil der Geringverdiener nicht helfen. Das soll er aber, wie Peter Weiß, Chef der Unions-Arbeitnehmergruppe, dieser Zeitung sagte: „Unter der allgemeinen Grenze darf nichts liegen.“

Demnach würden nicht nur alle Beschäftigten profitieren, die unter Tarif bezahlt werden, weil ihre Arbeitgeber keinem Verband angehören. Es müssten auch Branchen wie das Friseurhandwerk oder das Gastgewerbe ihre bestehenden Tarife anheben. Der bundesweite Mindestlohn würde damit auch manchen Branchen-Mindestlohn ersetzen, von denen es mittlerweile einige gibt. Bundesweit wurden für neun Branchen Untergrenzen festgelegt. Zudem wurden in den Ländern einige Regionaltarife für allgemeinverbindlich erklärt, in NRW für Friseure und Wachleute (siehe Grafik).

Angriff auf einige Branchen

Der Mindestlohn, wie ihn der Arbeitnehmerflügel der CDU nun plant, griffe in die Tarifhoheit zumindest einiger Branchen ein. Genau das darf nach Meinung der Wirtschaftspolitiker aber nicht passieren. Sie beharren auf der Passage im Koalitionsvertrag, die besagt, man lehne „einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ab“.

Dieses Problem wollen die Sozialpolitiker lösen, indem sie die Höhe des Mindestlohns nicht selbst bestimmen, sondern den Tarifpartnern überlassen. Gewerkschaften und Arbeitgeber sollen eine Grenze festlegen, die dann die Bundesarbeitsministerin für allgemeinverbindlich erklärt. Zwar spräche der Staat immer noch das letzte Wort über den Mindestlohn, doch die Parteien und der Bundestag wären raus aus der Lohnfindung.

Vorbild Zeitarbeit?

Dazu passt freilich nicht so recht, dass die CDU-Sozialpolitiker gleich mal einen Vorschlag für die Höhe des Mindestlohns gemacht haben. Die Tarifpartner könnten sich ja an den Mindestlöhnen in der Zeitarbeitsbranche orientieren, meinen sie. Das sind derzeit 7,79 Euro Stundenlohn im Westen und 6,89 Euro im Osten. Will die Politik also doch mitmischen? „Wir haben zur Orientierung die Zeitarbeit genannt, weil sie bisher den einzigen Mindestlohn hat, der branchenübergreifend gilt“, erklärt Weiß.

Am Beispiel der Zeitarbeit lässt sich gleich auch das nächste Problem verdeutlichen. Denn der Mindestlohn steigt dort im kommenden Jahr auf 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten. Damit wäre man nicht mehr weit entfernt von den 8,50 Euro, die Gewerkschaften und SPD als Untergrenze fordern. Doch soll der Mindestlohn für alle jedes Jahr so steigen wie in der Zeitarbeit? „Eine Dynamisierung muss es geben. Doch auch über die Laufzeit der allgemeinen Lohnuntergrenze sollen die Tarifpartner entscheiden“, sagt Weiß.

Kein Verständnis bei NRW-Unternehmern

Doch was, wenn die Tarifpartner gar nicht mitspielen? Die NRW-Unternehmer zeigten jedenfalls kein Verständnis für „die Kehrtwende der CDU“. Ein allgemeiner Mindestlohn missachte „branchen- und regionalspezifische Besonderheiten“ und sei „ein Angriff auf die Tarifautonomie“.

Die IG Metall ist zwar für Mindestlöhne, aber nicht auf Leiharbeitsniveau. „Wesentlich besser und gerechter wäre es, den gültigen Tarifvertrag der jeweiligen Branche als Untergrenze zu definieren“, sagte Oliver Burkhard, IG-Metall-Chef in NRW.