Brüssel. . Brüssel fordert eine Transaktionsabgabe für jeden Handel mit Aktien und Wertpapieren. Damit sollen jährlich bis etwa 57 Milliarden Euro eingespielt werden. Gleichzeitig hat das EU-Parlament den Euro-Stabilitätspakt verschärft.

Nach langem Zögern hat sich die EU-Kommission zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in allen 27 Mitgliedsstaaten entschlossen. Der Gesetzesvorschlag wurde am Mittwoch vom Kollegium angenommen, wie Kommissionschef José Manuel Barroso vor dem EU-Parlament erklärte. Die Steuer soll bis zu 57 Milliarden Euro jährlich einbringen und auf alle Geschäfte erhoben werden, bei denen mindestens ein Partner in der EU ansässig ist. Der Satz soll bei 0,1 Prozent für Aktien- und Anleihengeschäfte und bei 0,01 Prozent beim Derivatehandel liegen.

Die Kommission will die Einführung zum 1. Januar 2014 erreichen. Deutschland und Frankreich drängen seit langem auf die Steuer. Großbritannien stellt sich aber energisch dagegen. Die Regierung fürchtet durch einen EU-Alleingang die Flucht der Branche aus der Londoner City.

Für Barroso gibt es aber keine Alternative: In den vergangenen drei Jahren habe der Steuerzahler 4,6 Billionen Euro zur Stabilisierung des Finanzsektors aufgebracht. "Es ist Zeit, dass der Finanzsektor einen Beitrag zurück an die Gesellschaft leistet", sagte er unter dem Beifall der Abgeordneten. Angesichts des Sparzwanges seien neue Einnahmequellen notwendig. Es könnten die Arbeit oder der Verbrauch stärker besteuert werden. "Aber es ist auch fair, Finanzaktivitäten zu besteuern."

Steuerkommissar: G-20-Partner werden folgen

EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta sieht die EU nun als Vorreiter der globalen Einführung der Finanztransaktionssteuer. "Ich bin überzeugt, dass unsere G-20-Partner den Nutzen erkennen werden, uns zu folgen." Allerdings ist der Kommissionsvorschlag wegen der britischen Blockade noch weit von der Umsetzung entfernt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich deswegen dafür ausgesprochen, die Steuer in einem ersten Schritt zur Not nur in der Eurozone einzuführen, um die britische Blockade zu umgehen.

Barroso warb in seiner Rede zur Lage der Union auch abermals für die Einführung von Euro-Bonds und kündigte an, in den kommenden Wochen Optionen dafür vorzulegen. Sobald der Euroraum mit allen Instrumenten ausgestattet sei, um die Integration und die Disziplin sicherzustellen, werde "die Ausgabe gemeinsamer Schuldscheine als natürlich und vorteilhaft für alle Mitgliedsstaaten erscheinen". Voraussetzung sei, dass die "Stabilitäts-Anleihen" die Regierungen belohnen, die sich an die Sparregeln halten, und diejenigen abschrecken, die die Regeln brechen.

EU-Parlament beschließt historische Reform des Stabilitätspaktes

Nach einem Jahr harten Ringens ist die Schärfung des Euro-Stabilitätspaktes unter Dach und Fach: Das EU-Parlament verabschiedete am Mittwoch die größte Reform der Währungsunion seit der Euro-Einführung 1999. Härtere und frühere Sanktionen sollen die Regierungen künftig zum Sparen zwingen. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Reform noch formell absegnen, haben ihre politische Zustimmung aber schon gegeben.

Zentraler Punkt der Neuregelung: Staaten, die die Defizitgrenze von drei Prozent reißen, werden quasi-automatisch mit Milliardenbußen sanktioniert. Gestoppt werden kann das Verfahren künftig nur noch durch eine Zweidrittelmehrheit. Bislang konnten wenige Mitgliedsstaaten das Verhängen von Sanktionen stoppen, sodass bis heute trotz der massiven Schuldenprobleme kein Land Strafen zahlen musste.

Aber auch schon vorher können Maßnahmen greifen, wenn Regierungen die Warnungen der Kommission ignorieren. Zwar können die Länder im neuen "präventiven Arm" Sanktionen verzögern. Um sie zu stoppen, ist aber künftig abermals eine Mehrheit notwendig. Um diesen Halbautomatismus hatte das Europaparlament lange gekämpft. Darüber hinaus drohen auch den Ländern strafen, deren Gesamtverschuldung dauerhaft die Grenze von 60 Prozent übersteigt.

Aufruf an die nationalen Parlamente

"Wir haben jetzt ein neues wirtschaftliches Regelwerk", begrüßte EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek das grüne Licht des Parlaments. "Wir haben jetzt eine Rüstung gegen künftige Krisen." Er rief zugleich den Bundestag und andere nationalen Parlamente auf, der Reform des Stabilitätspaktes EFSF zuzustimmen. "Jede Verzögerung ist ein Spiel mit dem Feuer."

Zur Reform des Euro-Stabilitätspaktes gehören neben härteren und früheren Sanktionen gegen Defizit- und Schuldensünder auch Maßnahmen gegen Länder mit großen Leistungsbilanzungleichgewichten. Vor allem Deutschland wehrte sich dagegen. Der nun erzielte Kompromiss sieht vor, dass Länder mit großen Überschüssen zwar zu Maßnahmen zur Steigerung der Binnennachfrage gedrängt werden können. Sanktionen wie bei Bilanzdefiziten soll es aber nicht geben. (dapd)