Essen.. Der Energieriese Eon will in seiner Düsseldorfer Zentrale jede zweite Stelle abbauen. Das teilte Vorstandsmitglied Bernhard Reutersberg am Freitag per E-Mail mit. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi reagierten schockiert und kündigten an, um jeden Arbeitsplatz kämpfen zu wollen.
Obwohl die Position des Aktienkurses und der Gewinne von Eon mit Kellergeschoss am besten beschrieben ist, wählte Bernhard Reutersberg eine Metapher aus luftiger Ballonfahrt, als er sich vergangene Woche per Videobotschaft an seine Mitarbeiter wandte. Die Düsseldorfer Zentrale trage „zu viel Ballast“ an Bord, sagte der Eon-Vorstand und kündigte damit einen drastischen Stellenabbau an. Gestern nun wurde der frühere Ruhrgas-Chef im Auftrag seines Chefs, Eon-Boss Johannes Teyssen, konkreter, wie viel Ballast von Bord muss. „40 bis 50 Prozent“ der gut 800 Stellen sollten abgebaut werden, teilte er mit. Diesmal per E-Mail und heraus aus einer Versammlung der obersten 50 Eon-Manager.
"Mitarbeiter von Eon sind kein Ballast"
Dem Chef des Gesamtbetriebsrats, Hans Prüfer, gefielen weder die Zahlen noch das Vokabular des Managers. „Unsere Mitarbeiter lassen sich nicht als Ballast bezeichnen“, sagte er dieser Zeitung. Betroffen wären bis zu 400 Mitarbeiter der Konzernleitung. Die Stimmung im Unternehmen und den Führungsleuten wird mit „Schockstarre“ beschrieben.
Auch die Gewerkschaft Verdi fühlt sich durch die Art der Ankündigung offenbar einmal mehr provoziert. „Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, kündigte Aufsichtsratsvize Erhard Ott an. Der Verdi-Vorstand sagte: „Wir erwarten, dass der Vorstand unverzüglich Gespräche mit uns aufnimmt.“ Darauf haben Teyssen und selbst seine Personalchefin Regine Stachelhaus verzichtet. Teyssen hat erst kurz vor der Sommerpause nach tagelangen Spekulationen einen Abbau von 11 000 der weltweit 80 000 Stellen angekündigt. Annähernd jede siebte Stelle sollte wegfallen, ganze Zentralen von Töchtern in München, in Hannover und auch bei Ruhrgas in Essen stehen zur Disposition. Teyssen hatte auch Kündigungen nicht ausgeschlossen.
Nun macht der Nachfolger von Wulf Bernotat also nicht nur Ernst mit seiner zur verhagelten Halbjahresbilanz servierten Ankündigung. Er legt auch noch einen oben drauf: Jede zweite Stelle in der Zentrale am Düsseldorfer Rheinufer falle weg, der Arbeitstitel der Rosskur lautet „Eon 2.0“. Gespart werden soll vor allem in der Verwaltung, aber auch in den höheren Etagen. Zur Begründung erklärte Reutersberg, er habe die Eon-Zentrale mit anderen Konzernleitungen verglichen. „Die Treppe wird von oben gekehrt“, wird der Manager aus dem Konzernumfeld zitiert.
Eon-Betriebsrat fühlt sich übergangen
Dass in Düsseldorf jeder zweite Beschäftigte um seine Stelle bangen muss, nannte der Betriebsrat in einem Schreiben an die Kollegen einen „absoluten Schock und in dieser Dimension bisher unvorstellbar“. Er fühlt sich mit dieser Ankündigung übergangen und reagiert entsprechend bissig auf die E-Mail von Reutersberg, in der dieser verspricht: „Wir werden weiterhin eng und vertrauensvoll mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten.“
Bei „Eon 2.0“ könne „von einer Zusammenarbeit nicht die Rede sein“, erwidert der Betriebsrat. Vielmehr rücke der Vorstand nur scheibchenweise mit der Wahrheit heraus, was unter den Mitarbeitern Ängste schüre. Aufsichtsratsvize Ott fordert daher „mehr Transparenz“.
Teyssen plant allerdings nicht nur den Tritt auf die Bremse. Dem Vernehmen nach soll sich Eon für eine Beteiligung an dem portugiesischen Energieversorger Energias de Portugal (EDP) interessiert sein. Offenbar will Teyssen dem Staat Portugal einen Anteil von 20 bis 25 Prozent abkaufen. Portugal ist wegen seiner Schuldensituation und der Finanzkrise zu Privatisierungen gezwungen. Vergangene Woche ist es zu einem Treffen von Teyssen und dem portugiesischen Regierungschef Pedro Passos Coelho gekommen.
Innere Lähmung droht
Einerseits drastisch Personal abbauen, andererseits für einen Minderheitenanteil im Ausland viel Geld ausgeben: Sollten sich die Gerüchte bestätigen, dürfte das Wasser auf die Mühlen von Verdi und den Kritikern aus der Politik sein. Strategisch könnte Eon mit EDP allerdings seinen Brückenkopf nach Brasilien erhalten, wo der Konzern wachsen will. Wie auch immer: Mit der Unsicherheit jetzt auch in der Führungsetage droht Eon eine innere Lähmung. Zumal auch den Chefs von Töchtern eine Herabstufung droht. So soll Ruhrgas-Chef Klaus Schäfer künftig Chef des Handelsgeschäftes werden.