Frankfurt/Main. .

In einem der größten deutschen Wirtschaftsstrafprozesse sollen sechs Männer den Fiskus mit dem Handel von Emissionsrechten für Treibhausgase betrogen haben. 30 Fälle werden ihnen zur Last gelegt, bei denen sie zu Unrecht jeweils Vorsteuer in Höhe von insgesamt 230 Millionen Euro kassierten.

Einer der größten deutschen Wirtschaftsstrafprozesse hat am Montag vor dem Landgericht in Frankfurt am Main begonnen. Angeklagt sind sechs Männer im Alter zwischen 27 und 55 Jahren, die den Staat mit dem Handel von Emissionsrechten für Treibhausgase um 230 Millionen Euro betrogen haben sollen. Ihnen werden laut Anklage 30 Fälle zur Last gelegt, bei denen sie zu Unrecht jeweils Vorsteuer in Millionenhöhe kassierten.

Die zweite Strafkammer bot den Angeklagten wegen der zu erwartenden langen Verfahrensdauer zum Prozessauftakt einen Deal an: Sollten sich die Manager geständig zeigen, erwarten sie je nach Tatbeteiligung Haftstrafen zwischen drei und neun Jahren. Zumindest einer der Angeklagten zeigte sich bereits am Montag geständig.

Millionenbetrug geschickt verschleiert

Die Angeklagten waren im Tatzeitraum zwischen September 2009 und April 2010 Geschäftsführer von Unternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main, Hamburg und Paderborn. Über mehrere Gesellschaften und Firmen sollen sie laut Anklage in verschiedenen Ländern mit CO2-Emissionszertifikaten gehandelt haben. Dabei kauften sie die teuren Klimarechte umsatzsteuerfrei ein, gaben dann aber bei der monatlichen Meldung ans Finanzamt an, die Umsatzsteuerbeträge in Millionenhöhe entrichtet zu haben. Durch die Vielzahl von eingeschalteten Zwischenhändlern wurde die Hinterziehung der Umsatzsteuer dabei geschickt verschleiert.

Im April 2010 flog der Millionenbetrug zulasten der hessischen Finanzverwaltung dennoch auf. Seitdem sitzen die aus Deutschland, England und Frankreich stammenden Angeklagten in Untersuchungshaft. Wie genau die Steuerfahndung dem Betrug auf die Schliche kam, will die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht verraten. Zumindest im Emissionshandel scheint aber eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen. Im April 2010 wurde der Handel mit den Klimazertifikaten in Deutschland von der Umsatzsteuer befreit.

„Umsatzsteuerkarussell“ auch in der Mobilfunk-Branche

Das Geschäftsmodell mit dem „Umsatzsteuerkarussell“ machte aber offenbar in anderen Bereichen Schule. So ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt seit mehreren Monaten bundesweit gegen Unternehmer aus der Mobilfunk-Branche, die beim An- und Verkauf hochwertiger Smartphones den Fiskus um mindestens 13 Millionen Euro Umsatzsteuer betrogen haben sollen.

Im jetzigen Verfahren wird allein einem der Angeklagten ein Steuerbetrug in Höhe von 105 Millionen Euro zugerechnet. Geständig zeigte sich am ersten Prozesstag der englische Broker Fraz M. Ihm wird Umsatzsteuerbetrug in Höhe von 57,8 Millionen Euro vorgeworfen. Er habe „aus reiner Gier“ gehandelt, sagte der 27-Jährige aus Leeds.

Sollten sich nicht alle Angeklagten geständig zeigen, droht dem Gericht ein langwieriger Prozess. Gerechnet wird dann mit einer Verfahrensdauer von etwa anderthalb Jahren. Allein die Anklage hat 300 Zeugen benannt. Der Prozess wird am Montag nächster Woche fortgesetzt.

Für diesen Tag hat zumindest ein weiterer Angeklagter eine Aussage angekündigt. Zudem muss die Strafkammer bis dahin über zwei Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter Martin Bach entscheiden, den zwei der Verteidiger zu Beginn der Verhandlung gestellt hatten. (dapd)