Herne. . 500 Millionen Euro-Paletten sind weltweit in Umlauf. Wer genau den hölzernen Warenträger vor 50 Jahren erfunden hat, ist nicht überliefert. Fest steht aber: Ohne Palette würden die Warenströme nicht so schnell fließen.

Das ist Schreinerarbeit in Sekundenschnelle: Mit ei­ner Elektrosäge kappt Erkan Tanis alte Nägel. Dann legt er ein frisches Brett an und greift zur Luftdruckpistole. Peng, peng, peng, sausen die Stahlstifte ins Holz. Kurz noch eine überstehende Kante geglättet – schon ist wieder alles paletti.

Im Akkord repariert Erkan Tanis bei der Herner Firma Bartoschek & Sohn Europaletten. Diese dienen seit genau 50 Jahren als Lastesel der Logistik, seitdem fließen die globalisierten Warenströme deutlich schneller.

Angesichts von etwa 500 Millionen Exemplaren, die weltweit kursieren, wäre ihr Erfinder wohl steinreich. Doch es ist nicht überliefert, wer den Geistesblitz hatte. Nur so viel ist bekannt: 1961 beschloss der Internationale Eisenbahnverband (UIC) die Einführung eines „Holzladungsträgers“, um Arbeitsabläufe länderübergreifend zu vereinfachen. Ein Vergleich offenbart die Beweggründe: Das Beladen eines Bahnwaggons „von Hand“ dauert zehn Mal so lange wie mit Gabelstapler und Paletten. „Der Faktor Zeit macht die Palette so erfolgreich“, sagt Alexander Becker, stellvertretender Geschäftsführer der European Pallet Association (Epal) mit Sitz in Münster.

„Der Faktor Zeit macht sie so erfolgreich“

Inzwischen haben sich die Palettenabmessungen zum Maß vieler Dinge entwickelt. Gabelstapler, Lkw-Ladeflächen oder automatisierte Hochregallager – alle orientieren sich an 120 Zentimetern Länge, 80 Zentimetern Breite und 14,4 Zentimetern Höhe.

Paletten mögen mit ihrem Rahmen aus grobem Holz unscheinbar und billig aussehen, doch die Produktion der jährlich 70 Millionen neuen Exem­plare und deren Reise durch die Warenwelt unterliegen strengen Regeln und Kontrollen. Schließlich schleppen Paletten Milliardenwerte.

Unter anderem muss das Holz trocken sein. „Die Holzfeuchte darf 22 Prozent nicht übersteigen, weil sich sonst Schimmel bilden kann, der auf die Ware übergreift“, erklärt Alexander Becker. Darüber hinaus müssen die Spezialnägel in einem bestimmten Muster eingeschlagen werden, um eine möglichst große Haltbarkeit zu gewährleisten.

Der Preis für eine Palette ist abhängig von der Konjunktur

Zurzeit kostet eine fabrikneue Palette etwa 8,50 Euro, doch der Preis hängt stark von der Konjunktur ab. Im Jahr 2008 lag der Preis bei zwölf Euro, in der Wirtschaftskrise sank er auf sechs. Weniger Konsum bedeutet weniger Warenumschlag, also auch eine sinkende Paletten-Nachfrage.

Im Durchschnitt überstehen die Paletten acht Reisen ehe sie zur – ebenfalls zertifizierten und kontrollierten – Reparatur gekarrt werden. Zum Beispiel nach Herne. „Mehr als drei Teile dürfen nicht beschädigt sein, sonst macht eine Reparatur keinen Sinn mehr“, sagt Bartoschek-Geschäftsführer Jacek Kurylo. Das liegt an der knappen Kalkulation: Eine kaputte Palette kostet im Ankauf 2,50 Euro, für sechs Euro geht sie zurück in den Kreislauf.

Und der basiert auf Tauschgeschäften: Holt ein Unternehmen Ware ab, die auf 30 Paletten liegt, bringt der Spediteur 30 leere Paletten mit. Oder umgekehrt. Allerdings häufen sich seit einiger Zeit Diebstähle. Erst vor wenigen Wochen teilte der Chemieriese BASF mit, dass ein Mitarbeiter im Laufe der Jahre rund 300 000 Paletten gestohlen hatte. Darüber hinaus klagen manche Firmen über Tricks beim Tausch. So gibt es für neue Paletten Exemplare, die reparaturbedürftig sind. In einigen Ländern gibt es schon Tendenzen, aus dem Tauschhandel auszusteigen. Konkurrenzprodukte versuchen dort, mehr Marktanteile zu erobern.