Essen. . Zehn Euro mehr sollen Hartz-IV-Empfänger ab 2012 bekommen. Das Bundesfinanzministerium hat in seinem Bericht über die Höhe des Existenzminimums errechnet, dass der regelsatz von 364 auf 374 Euro steigen muss, um die Teuerung auszugleichen.

Wie viel Geld ein Mensch benötigt, um in Deutschland leben zu können, hat der Staat festgelegt: 364 Euro sind es derzeit. Doch wenn die Preise steigen, muss auch die Grundsicherung steigen – so hat es das Bundesverfassungsgericht in seinem weisenden Urteil aus dem vergangenen Jahr bestimmt. Und weil die Inflation nach der Krise anzieht, steigt die Grundsicherung ab Januar 2012 nach Informationen dieser Zeitung um zehn auf 374 Euro.

Damit ist dieser einst politisch so umkämpfte Geldbetrag in dem Automatismus angekommen, den die höchsten Verfassungsrichter gefordert haben. Die Bundesregierung hat wenig Spielraum, sie muss die Inflation weitgehend ausgleichen. Das birgt Stoff für eine Neiddebatte auf unterstem Niveau: Arbeitslose erhalten eine höhere Anpassung als die 20 Millionen Rentner, was viele für ungerecht halten.

Der neue Betrag kommt wie folgt zustande: Eine Erhöhung um drei Euro hatte die Regierung bereits im Februar beschlossen, es stand also fest, dass ab 2012 mindestens 367 Euro bezahlt werden. Nun kommen laut dem Bericht zur Höhe des Existenzminimums, der dieser Zeitung vorliegt, 1,88 Prozent hinzu – aufgerundet macht das weitere sieben Euro. Entsprechend steigen auch die Sätze für Kinder in Hartz-IV-Familien an.

Mit der Einflussnahme ist die politische Brisanz jedoch alles andere als verflogen. Sie ergibt sich allein schon daraus, dass die Hartz-IV-Sätze stärker steigen als die Renten. Sie werden dieses Jahr um 1,0 Prozent erhöht. Während also ein Langzeitarbeitsloser zehn Euro mehr erhält, bekommt ein Rentner mit 700 Euro Rente nur sieben Euro mehr.

Die Sozialverbände warnen davor, Arbeitslose würden gegen Rentner ausgespielt. Zumal die Rentner in den vergangenen Jahren unter steigenden Sozialbeiträgen litten, während für Arbeitslose die Krankenversicherung bezahlt wird.

Auch bei den Kindern gibt es Futter für neue Gerechtigkeits-Debatten. Denn das Kindergeld (184 Euro) und der steuerliche Kinderfreibetrag (7008 Euro) sollen nicht erhöht werden, wie aus dem Bericht ebenfalls hervorgeht. Das dürfte die FDP ärgern, die stets höhere Kinderfreibeträge gefordert, mit der Union aber nur zum Teil durchgesetzt hat.

Der neue Satz von 374 Euro ist nicht nur für Langzeitarbeitslose und ihre Familien entscheidend, sondern auch für arme Rentner und viele alte Menschen in Pflegeheimen. Letztere erhalten vom Sozialamt zehn Euro mehr dazu, wenn etwa ihre Angehörigen einen Teil der Heimkosten übernehmen müssen.

Kindergeld steigt nicht

Bei den Rentnern droht ein eher unerwünschter Effekt. Wenn die Grundsicherung stärker steigt als die Renten, fallen automatisch mehr Rentner unter das Existenzminimum. Derzeit beziehen rund 1,7 Millionen Ruheständler eine gesetzliche Rente zwischen 600 und 750 Euro. Das ist der grobe Spanne, in der sich auch die Grundsicherung im Alter bewegt. Weil zum Regelsatz noch die Wohnkosten hinzukommen und diese regional sehr unterschiedlich sind, liegt die Grundsicherung im Ruhrgebiet etwa zwischen 620 und 680 Euro, während sie etwa in München oder Hamburg über 700 Euro liegt.

Viele dieser Rentner, rein rechnerisch Zehntausende, würden ab 2012 mit der Grundsicherung besser dastehen als mit ihrer Rente. Sie würden dann vom Sozialamt ein paar Euro dazubekommen. Doch für die Rentner ist damit der von den meisten als unwürdig und lästig empfundene Gang zum Sozialamt verbunden, den viele ältere Menschen noch immer scheuen.