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Christoph Unger hat beruflich mit Katastrophen zu tun. Mit Fluten und Stürmen, Terroranschlägen, Epidemien und Unfällen. Doch seit einiger Zeit denkt der Chef des Bonner Bundesamtes für Bevölkerungsschutz an eine sechste Herausforderung für den deutschen Alltag. Es ist der flächendeckende Stromausfall. 2009 räsonierte er im WAZ-Gespräch, was dann mit den Schwerkranken passiere, die zu Hause an ein Dialysegerät angeschlossen seien. Rücksichtsvoll formulierte er: „Ein Ausfall über mehrere Tage ist kaum zu verkraften“.

Heute wird Unger dabei sein, wenn sich der Forschungsausschuss des Bundestages mit den möglichen Folgen von Versorgungsengpässen der Elektrizität befasst. Der Beratung liegt ein Papier des Büros für Technikfolgenabschätzung zugrunde, das zu zwei Kernaussagen kommt: 1. Alle Bereiche der deutschen Gesellschaft werden betroffen sein, weil alle überall auf elektrische Geräte angewiesen sind. 2. Es gibt kaum Vorsorge. Ein Kollaps der Republik ist nicht ausgeschlossen. Menschen werden sterben müssen.

Eine brisante Sache also. Weltweit sind Blackouts ein Thema. 2005 knickten im Münsterland die Strommasten. Sechs Tage blieb stellenweise der Saft weg. 2003 hatte es New York erwischt. Im gleichen Jahr war ganz Italien über 18 Stunden ohne Strom. Und jetzt spricht Deutschlands Energiewirtschaft verstärkt über Stromausfälle, weil sie die Versorgungssicherheit nach einem Atomausstieg nicht mehr garantiert sieht. Nur vier von 17 Kernkraftwerken arbeiten noch. Schon im nächsten Winter könne es eng werden.

Die Stadt Euskirchen hat auf einer von Ungers Bundesamt und dem Fachblatt „Behördenspiegel“ veranstalteten Konferenz aufgelistet, was beim Blackout passiert: Telefon, Handy, Radio, Internet? Vergessen. Hilfsfahrzeuge können den Bauhof nicht verlassen, denn er ist mit einem elektrischen Tor verrammelt. Die Kühlung der Leichenhalle fällt aus. Kanäle und Kläranlagen laufen über. Die Feuerwehr bekommt nicht die aktuellen Einwohnerdaten und weiß nicht, wie viele Menschen in einem brennenden Haus wohnen. Könnte sie überhaupt noch retten? Die Wasserversorgung ist längst zusammengebrochen. Auch die Trinkwasserversorgung wird ab dem dritten Hochhaus-Stock nach wenigen Stunden unmöglich.

Der Parlamentsbericht geht weiter. Am Beispiel eines Gefängnisses zeigt er, dass die Verantwortlichen einer vom Stromausfall betroffenen Haftanstalt vor der Frage stehen werden, ob sie nicht alle Gefangenen rund um die Uhr wegsperren oder – alternativ – freilassen müssen. Auch draußen ist man ohne Sicherheit. Busse und Bahnen stehen. Ampeln sind ausgefallen. Rettungskräfte kommen nicht zu Unfallstellen durch. In sozial instabilen Stadtteilen könne es zu Unruhen kommen.

Vor allem macht der Report klar, wie schnell dies den Alltag zu Hause beeinträchtigt: „Eine Unterbrechung der Wasserversorgung wirkt sich umfassend auf das häusliche Leben aus.“ Keine Speisenzubereitung ist möglich. Die Toilettenspülung ist hin. Es gibt keine saubere Kleidung, keine Lebensmittel. Tiefkühlkost taut auf. „Die hygienischen Zustände werden prekär.“

Fehlende Kühlung könne zu Bränden führen. „Besonders in den Städten besteht wegen der hohen Besiedlungsdichte die Gefahr der Brandausbreitung auf Häuserblöcke und möglicherweise ganze Stadtteile“.