Essen. . Mitten in der Debatte um den Atomausstieg in Deutschland steigt der Essener Energieversorger RWE in das einzige Atomkraftwerk in den Niederlanden ein.
RWE zieht es beim Kernkraftgeschäft ins Ausland. Der Energiekonzern, der in Deutschland um seine Atommeiler bangt, wird sich am Betrieb des bisher einzigen niederländischen AKW mit 30 Prozent beteiligen.
„Es gibt dazu eine Absichtserklärung“, bestätigte Konzernsprecher Volker Heck auf Anfrage dieser Zeitung. Die anderen 70 Prozent wird Delta erhalten. Das Unternehmen betreibt das Kraftwerk und gehört der Provinz Zeeland.
Mit der Vereinbarung geht ein zweijähriger Streit zu Ende. 2009 hatte RWE mit der Übernahme des niederländischen Energieversorgers Essent eigentlich auch 50 Prozent der Anteile am AKW Borssele erworben. Die anderen 50 Prozent hielt Delta. Den Zugriff durch RWE hatte Delta bisher aber gerichtlich verhindert, da Borssele mehrheitlich in Besitz der öffentlichen Hand sein muss.
Die Essentanteile am AKW wurden deshalb in der Energie Ressource Holding (ERH) geparkt und blieben im öffentlichen Besitz, dafür hielt RWE mehr als 900 Millionen Euro des ursprünglichen Essent-Kaufpreises zurück. Gut 600 Millionen Euro werden die Essener nun für ihren 30-Prozent-Anteil an die ERH-Eigner überweisen müssen. Das sind Kommunen und Provinzen.
Jürgen Großmann hält den deutschen Atomausstieg nach wie vor für falsch
RWE dürfte dies gerne tun. Neben den Aktivitäten in England kann es sein Kernkraftwerksgeschäft nun in die Niederlande ausweiten. Dabei geht es nicht allein um das bestehende Kraftwerk, sondern vielmehr um eine mögliche Beteiligung am Neubau eines 1600 Megawatt großen Meilers am Standort Borssele. Die Rede ist von einem 20-Prozent-Anteil für RWE an Borssele II. Nach wie vor gebe es „keinen formellen Beschluss über eine Beteiligung am Neubau eines Kernkraftwerks in den Niederlanden“, erklärte RWE. Allerdings gibt es auch noch keine Baugenehmigung. Doch sind die Vorplanungen durch Delta weit fortgeschritten. „Wir haben das passende Grundstück und sind in der Planung relativ weit“, sagte ein Delta-Sprecher.
Delta will den rund fünf Milliarden teuren Bau der voraussichtlich zwei Reaktoren nicht allein vorantreiben. 2009 hatten die Niederländer eine sogenannte Startnotiz für einen Kraftwerksneubau eingereicht. Der Konzern hofft auf eine Baugenehmigung im kommenden Jahr. Mit dem französischen EDF-Konzern hat Delta bereits einen Partner gefunden, „wir suchen weitere und schließen dabei RWE nicht aus“, erklärte Delta.
Trotz der Katastrophe in Japan herrscht in den Niederlanden ein freundliches Klima in Sachen Atomkraft. Die Regierung befürwortet den Kraftwerksneubau am Standort Borssele. RWE-Chef Jürgen Großmann sagte bei einer Veranstaltung am Montagabend in Düsseldorf, dass er den Atomausstieg in Deutschland nach wie vor für falsch hält. An der Klage gegen das Atommoratorium will er festhalten.