Essen. . In Bonn ist jetzt das erste Cyber-Abwehrzentrum in Deutschland in Dienst gegangen. Die gestiegene Zahl der Internet-Attacken hat die Bundesregierung zu diesem Schritt veranlasst. Zehn Experten haben am 1. April ihre Arbeit aufgenommen.

Die Mainzer Straße liegt im ruhigen Bonner Stadtteil Mehlem. Zwischen Stadtvillen auf der einen und Mietshäusern auf der anderen Seite der Allee fällt ei­ne videoüberwachte schmale Einfahrt auf ein umzäuntes Ge­lände auf. Hier in den Ge­bäuden des Bundesamts für Si­cherheit in der Informati­onstechnik (BSI) hat gestern das Nationale Cyber-Abwehrzentrum die Arbeit aufgenommen.

Zunächst sind es insgesamt zehn Experten aus den Bundesämtern für Sicherheit in der Informationstechnik, Verfassungsschutz und Bevölkerungsschutz, die von Bonn aus den Kampf der Behörden gegen Attacken aus dem Internet auf Regierung und Unternehmen koordinieren sollen. Offiziell wird es Innenminister Friedrich am 16. Juni der Öffentlichkeit vorstellen.

Alle zwei Sekunden ein Angriff

Die Experten sollen IT-Sicherheitsvorfälle schnell und umfassend bewerten und abgestimmte Handlungsempfehlungen erarbeiten. Außerdem analysieren sie Schwachstellen von IT-Produkten und tauschen Informationen darüber aus.

Bürger können sich schon jetzt beim BSI (www.bsi.de) über die Sicherheit ihrer Computer beraten lassen. Auch Warnungen und Empfehlungen zu IT-Software gibt das BSI bereits heraus.

Nach Angaben der Bundesregierung erfolgt alle zwei Sekunden ein Angriff auf das deutsche Internet. Deshalb und insbesondere auf Grund zuletzt weltweiter Netzattacken wurde das Cyber-Abwehrzentrum eingerichtet.

Privatwirtschaft in Alarmstimmung

Vermutlich russische Hacker legten 2007 Wochen lang in Estland die Server von Banken, Ministerien und Telefondiensten lahm. Bankautomaten spuckten kein Geld mehr aus, Handys funktionierten nicht. Die Wirtschaft geriet ins Wanken. Zwischen dem 4. und 9. Juli 2009 brachen in den USA die Websites von Finanz- und Verkehrsministerium, Secret Service und der Handelskommission zusammen. Auch die New Yorker Börse wurde getroffen. Von Hackern infizierte „Zombierechner“ hatten die Server mit einer Million Seitenaufrufen pro Minute zusammenbrechen lassen. Im Sommer 2010 war es schließlich der Wurm Stuxnet, der das iranische Atomprogramm befiel und zudem die von Siemens stammende Steuerungssoftware auch in anderen Ländern störte.

Auch die Privatwirtschaft ist in Alarmstimmung. Nach einem Bericht der Computer-Sicherheitsfirma McAfee haben chinesische Hacker die Rechner von fünf internationalen Energieunternehmen ausgespäht. Dabei sei es ihnen gelungen, an Daten zur Erforschung von Öl- und Gasfeldern zu gelangen.

Dass ein solches Zentrum einen besseren Schutz bieten soll, als es ihn das BSI bisher geleistet hat, bezweifelt Sandro Gaycken, Sicherheitsforscher an der FU Berlin: „Das ist politischer Aktionismus. Das einzig sinnvolle an diesem Abwehrzentrum ist die Schaffung einer Gesprächsrunde der verschiedenen Behörden.“ Gaycken schlägt eher vor, das Personal aufzustocken.

Zumindest der Kreis der am Cyber-Abwehrzentrum beteiligten Behörden soll wachsen. Polizei, Zoll, Bundesnachrichtendienst und Bundeswehr kommen später hinzu.