Berlin. . Nach dem Atomunglück in Fukushima sollen Experten die 17 deutschen Reaktoren auf ihre Sicherheit überprüfen
Der gestern verabschiedete Prüfkatalog zum Stresstest von Atomreaktoren ist schwer in die Kritik geraten. Während Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) das Papier der Reaktorsicherheitskommission (RSK) als weltweit einzigartig lobte, hält Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Kriterien für völlig ungenügend.
Nach dem Atomunglück in Fukushima wird nun eine Kommission aus 80 bis 100 Experten die 17 deutschen Reaktoren überprüfen – und dabei die neue Liste abarbeiten. Zwischenlager und atomare Forschungseinrichtungen sind ausgeschlossen. Federführend bei den Tests ist die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS).
Die Tests sollen aufzeigen, wie sicher die Meiler unter strengeren Auflagen als bisher sind. Wenn dabei große Mängel ans Tageslicht kommen, könnte dies der Regierung helfen, die Schnellabschaltung der Kernkraftwerke nachträglich zu rechtfertigen. Denn mit dem Moratorium bewegt sie sich juristisch auf dünnem Eis.
Auch Terrorszenario spielen eine Rolle
Die Fachleute von GRS, anderen Institutionen und Universitäten testen die Sicherheit der Meiler bei starken Erdbeben, Stürmen, Hochwasser, hohen Tsunamiwellen, Trockenheit und Flugzeugabstürzen. Dabei rechnen sie Szenarien mit Militär- und „gängigen Verkehrsflugzeugen“ unterschiedlicher Größe, Geschwindigkeit und Gewicht durch.
Sie simulieren auch, inwieweit ein Reaktor noch bei einem schweren Störfall beherrschbar ist. Hier geht es um die Frage, ob die Reaktoren dann sicher abgeschaltet und die Brennelemente gekühlt werden können. Die Prüfkommission unterstellt dabei unterschiedliche Notfälle, wie beschädigte Brennelemente, einen längeren Ausfall der Notstromversorgung und den Ausfall der Kühlung. Eine weitere Rolle spielen terroristische Anschläge durch gezielte Flugzeugattacken oder Angriffe auf die Computersysteme der Kraftwerke.
Bei dem Stresstest handelt es sich um eine Schreibtischtätigkeit. Die sieben Arbeitsgruppen der Prüfkommission bekommen Daten von den Kraftwerksbetreibern und stellen danach Berechnungen an. Nur wenn es hier zu unplausiblen Ergebnissen kommt, sind Prüfungen vor Ort geplant, kündigte RSK-Chef Rudolf Wieland an.
Erster Bericht soll bis 15. Mai vorliegen
Bis zum 15. Mai wird die Kommission einen ersten, noch nicht abschließenden Bericht vorlegen. Die Ergebnisse sind nicht bindend, sondern dienen als wissenschaftliche Grundlage für die politische Debatte um die Zukunft der Kernkraft. Auf deren Basis soll die Ethikkommission, die die Regierung eingesetzt hat, Empfehlungen ausarbeiten.
Die Grünen halten von der kompletten Prüfliste wenig. „Es werden keine Kriterien genannt, nach denen geprüft werden soll, es finden sich bloß Themen, die man sich anschauen will“, sagte Umweltexpertin Bärbel Höhn dieser Zeitung. „Dabei kann alles und nichts herauskommen.“ Höhn stellte auch die Neutralität der RSK in Frage. Das 16-köpfige Gremium berät das Umweltministerium in Sicherheitsfragen der Atomkraftwerke und ist formell unabhängig. Doch neben Physikern und Ingenieuren sind Vertreter der Atomkonzerne Areva und Eon in der RSK.
AKW-Betreiber, AKW-Hersteller und atomfreundliche Gutachter hätten hier „eine deutliche Mehrheit“, sagte Höhn.