München/Essen. . Der Streit zwischen den Ferrostaal-Eigentümern MAN und Ipic eskaliert. Der Münchner Konzern schließt einen Rückkauf und eine Abwicklung seiner Ex-Tochter nicht mehr aus.

Die Lage des Essener Industriedienstleiters Ferrostaal AG spitzt sich zu, die Zukunft des traditionsreichen Unternehmens scheint ungewisser denn je. Am Montag vollzog die frühere Ferrostaal-Muttergesellschaft im Streit mit dem jetzigen Eigentümer, dem arabischen Staatsfonds Ipic, die Notbremse und leitete eine Kehrtwende ein. MAN-Finanzchef Frank Lutz sprach auf der Bilanzpressekonferenz in München das bisher Undenkbare aus: „Wir würden Ferrostaal notfalls wieder zurücknehmen.“ Das allerdings könnte die Zerschlagung des Essener Unternehmens zur Folge haben.

Hintergrund: Die Mehrheit von 70 Prozent an Ferrostaal ist im Jahr 2008 an den Staatsfonds Ipic aus Abu Dhabi verkauft worden. Die Scheichs hätten die restlichen 30 Prozent eigentlich längst übernehmen sollen, doch dann kam der Ferrostaal-Schmiergeldskandal um den Verkauf von U-Booten an Griechenland dazwischen.

Die mögliche Rückabwicklung überschattete gestern die Vorlage einer eigentlich guten Bilanz, die MAN um drei Wochen verschoben hatte, weil eine Einigung mit Ipic greifbar schien. Daraus wurde aber nichts.

Weitreichende Zugeständnisse

Die Lage um Ferrostaal ist verfahrener denn je. Nach In­formationen unserer Zeitung aus dem Unternehmensumfeld soll MAN enorm weitreichende Zugeständnisse gegenüber Ipic gemacht haben. So soll sich der Lkw-Konzern be­reit erklärt haben, die restlichen Anteile ohne Gegenleistung abzugeben, ein mögliches Bußgeld im Zuge der Korruptionsaffäre zu übernehmen ebenso wie die An­walts­kos­ten. Zuletzt stand ein Bußgeld von 196 Millionen Euro in Rede, die Anwaltskosten zur Aufarbeitung der Korruptionsaffäre bezifferte Ferrostaal jüngst mit bislang 62 Millionen Euro. Das Gesamtpaket habe gut und gerne einen Ge­genwert von einer halben Milliarde Euro auf die Waage ge­bracht. Dennoch habe Ipic ab­gelehnt. Man sei nicht nur be­reit, die ungeliebte Tochter zu­rückzunehmen, sondern auch dazu, Ipic finanziell „deutlich“ entgegenzukommen, sagte MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen.

Der Münchener Konzern und Ipic stehen sich in einem Schiedsgerichtsverfahren ge­genüber, das „sich mehrere Mo­nate oder auch Jahre hinziehen kann“, räumte Lutz ein. MAN habe in seiner Bi­lanz Rückstellungen für das sich abzeichnende Ferrostaal-Desaster gebildet. Die Höhe verschwieg der Finanzchef. Für die 70 Prozent an Ferro­staal hatte Ipic 450 Millionen Euro an MAN bezahlt.

Verkauf als Ganzes kaum machbar

Falls MAN Ferrostaal zu­rücknehmen muss, wollen die Münchener deren Geschäfte nicht fortführen, stellte Lutz klar. Offen ließ er, ob Ferro­staal dann weiterverkauft oder abgewickelt würde. Damit ist das Schicksal der rund 5000 Beschäftigten von Ferrostaal offen. Beobachter halten ei­nen Verkauf als Ganzes wegen der Komplexität des stark personenabhängigen Anlagengeschäfts für kaum machbar. Ei­ne Zerlegung und Einzelverkauf des Automotive-Geschäftes und des Vertretungsgeschäftes mit Niederlassungen in weltweit 60 Ländern hingegen schon.

Der Vorstand des Essener Konzerns hat nach Informationen unserer Zeitung eine Wende in Sachen Korruptionsverfahren vollzogen. In ei­nem Vorstandsbeschluss vom 9. März heißt es, man halte die etwaige Rechtsauffassung, wonach eine Bestechung vorliege, für „unrichtig“. So­gar der Gang in Revisionsverfahren ist angekündigt. Damit will Ferrostaal offenbar Bußgelder vermeiden, denn eine „Ge­winnabschöpfung“ ist nur bei dem Tatbestand der Bestechung möglich. Ferrostaal wies diese Darstellung auf An­frage zurück.

Operativ ist MAN 2010 in die Gewinnzone zurückgekehrt. Unterm Strich standen 722 Millionen Euro Jahresüberschuss nach 258 Millionen Verlust 2009. Den Aktionären bringt das eine auf zwei Euro verachtfachte Dividende. Die Umsätze legten um gut ein Fünftel auf 14,7 Milliarden zu, der Auftragseingang um über die Hälfte auf 15,1 Milliarden Euro.