Essen. . Der Evonik-Konzern meldet eine Rekordbilanz. Und Vorstandsvorsitzender Klaus Engel denkt über einen Börsengang nach. Die Immobilientochter soll verkauft werden.

Zuweilen wiederholt sich Geschichte doch: Acht Jahre nach Übernahme der früheren Degussa AG und fünf Jahre, nachdem die damalige RAG das Düsseldorfer Chemieunternehmen vom Börsenzettel genommen hat, steht das Comeback eines börsenfeinen Spezialchemieunternehmens bevor. Heute freilich mit Namen Evonik und Sitz in Essen.

„Wir sind ein Chemiekonzern“, sagt Evonik-Chef Klaus Engel, und zwar einer, der sich angesichts der beeindruckenden Ergebnisse des vergangenen Jahres vorstellen kann, mit „unserer Wachstumsstory auch die Börse zu überzeugen“. Innerhalb der nächsten 15 Monate sei der Börsengang „gut vorstellbar“, so Engel gestern bei der Bilanzvorlage.

Zu entscheiden haben das die Eigentümer: Die RAG-Stiftung, die knapp 75 Prozent hält und die Aufgabe hat, aus dem früheren Konglomerat Immobilien, Energie (Steag) und Degussa möglichst viel Geld herauszuholen, um da­mit die Ewigkeitskosten des Steinkohlebergbaus zu bezahlen; und der Finanzinvestor CVC, der die Aufgabe hat, im Sinne seiner Eigentümer ebenfalls möglichst viel Geld herauszuholen.

Zunächst müssten sich die Eigentümer einig sein, also auch das politisch besetzte Kuratorium der RAG-Stiftung, bevor Evonik mit den konkreten Vorbereitungen eines Ak­tienverkaufs beginnen kann. Fragen gibt es allerhand: Wie viele Anteile sollen an die Börse gehen, was geschieht mit den Einnahmen? Vor allem Letzteres ist spannend. Geht es nach der mächtigen Indus­triegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), dann erhält Evonik aus dem Börsengang Mittel zur Entwicklung des Konzerns. Vor Jahresfrist hat IGBCE-Chef Michael Vassiliadis kundgetan, dass die Spezialchemie in NRW vor einer Konsolidierung stehe. Spekulation, ge­wiss, aber Evonik strotzt vor Selbstbewusstsein.

Komplette Konzentration auf das Chemiegeschäft

„Wir fühlen uns stark und glauben, dass ein Teil des Geldes im Unternehmen am besten aufgehoben ist“, sagte Engel. Der Konzern stellt sich nach dem Verkauf der Mehrheit am Energieerzeuger Steag vollends als Chemiekonzern auf. Ein klares Zeichen dafür ist, dass die Bereichschefs der Chemiesparte Patrik Wohlhauser, Thomas Haeberle und Dahai Yu in den Konzernvorstand aufrücken.

Für die künftige Immobilientochter, die aus den 70 000 Wohnungen der THS und 60 000 der Evonik-Immobilien entsteht, will Engel ab 2013 einen Käufer suchen. Er sei sich der Sensibilität vor dem Hintergrund der Ge­schäftsmodelle einiger Finanzinvestoren durchaus bewusst. „Wir wollen vernünftig raus, und die Bedingung ist, dass wir einen nachhaltigen Investor gemeinsam mit der IGBCE finden.“ Ob das in einem oder zwei Schritten erfolge, sei noch nicht sicher. Sicher aber sei, „dass wir irgendwann ganz rausgehen“.

Auf dem Weg an die Börse will sich Evonik 2011 noch von zwei Geschäftsfeldern, Carbon Black und Colorants, mit insgesamt einer Milliarde Euro Umsatz trennen. Das 2010 erreichte Rekordniveau (siehe Grafik) will Evonik halten. Der Konzern bewegt sich mit einer Verdreifachung des Konzernergebnisses im weltweiten Branchenvergleich in der Spitzengruppe. „Wir haben die Erwartungen weit übertroffen“, sagte Engel. Auch werde an einer Verbesserung der Bonitätsnote der Ra­tingagenturen gearbeitet.

Äußerst zufrieden zeigte sich der Vorstandschef mit dem Verkauf der Steag-Mehrheit an das Stadtwerke-Konsortium. Das sei der beste Eigner für die Entwicklung des Unternehmens. Für die Herausnahme der Steag aus der Bilanz wurde ein Sonderaufwand von 251 Millionen Euro fällig: 100 Millionen als Abschreibung auf den Steag-Buchwert, 150 Millionen Euro für mögliche Gewährleistungsansprüche als Vorsorgemaßnahme. Nach Informationen der WAZ betrifft dies vor allem mögliche weitere Verzögerungen bei Inbetriebnahme des Kraftwerks Walsum. Die Steag-Kohlekraftwerke gerieten im letzten Quartal 2010 unter Druck. Trotz des harten Winters sank das Ergebnis vor Abzug der Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um elf Prozent.

Nach AKW-Abschaltung kommt eine verstärkte Kohleverstromung in Frage

Vor dem Hintergrund der Atom-Debatte könnte sich das allerdings wieder ändern. „Wir brauchen eine sichere, verlässliche und verfügbare Energieversorgung unserer Industrie“, sagte Engel, ehrenamtlich Präsident des Verbandes der chemischen Industrie, und warnte vor „kurzfristigen, hektischen Handlungen“. Sollte die Bundesregierung die Verlängerung der Laufzeiten der AKW komplett zurücknehmen, „kommt als Ersatz gerade ein Aufbau zusätzlicher Kapazitäten der Kohleverstromung in Frage“, so Engel zur WAZ.