Dortmund/Duisburg..

Die Dortmunder Zeitarbeitsgruppe Artos soll Mitarbeiter verpflichtet haben, der christlichen Gewerkschaft BIGD mit Sitz in Duisburg beizutreten. Mitunter wurden sie zu Mitgliedern ohne es zu wissen. Es besteht der Verdacht auf „gewerbsmäßigen Betrug“.

Die christlichen Gewerkschaften geraten weiter unter Druck. Nachdem bereits das Bundesarbeitsgericht die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) für nicht tariffähig erklärte, enthüllen nun Recherchen des ZDF-Magazins Frontal 21 die unseriösen Methoden, mit denen Mitglieder für die christliche Einzelgewerkschaft BIGD gekeilt wurden. Es besteht der Verdacht auf „gewerbsmäßigen Betrug“.

Gewerkschaftsbeitrag vom Lohn abgezogen - häufig ohne ihr Wissen

Die Dortmunder Zeitarbeitsgruppe Artos soll Mitarbeiter verpflichtet haben, der christlichen Gewerkschaft BIGD mit Sitz in Duisburg beizutreten. Foto. Imago
Die Dortmunder Zeitarbeitsgruppe Artos soll Mitarbeiter verpflichtet haben, der christlichen Gewerkschaft BIGD mit Sitz in Duisburg beizutreten. Foto. Imago © imago stock&people | imago stock&people

Den Recherchen zufolge hat die Zeitarbeitsgruppe Artos aus Dortmund der Christlichen Gewerkschaft BIGD mit Sitz in Duisburg jahrelang systematisch Leiharbeiter als Mitglieder zugeführt – häufig ohne das Wissen der Leiharbeiter selbst. Denen wurde monatlich ein Gewerkschaftsbeitrag vom Lohn abgezogen – ebenfalls häufig ohne deren Wissen. Betroffen sind weit über 1000 Leiharbeiter.

Die christlichen Gewerkschaften gelten in vielen Fällen als Gegenorganisationen zu den klassischen Industriegewerkschaften. Sie schließen oft wesentlich unternehmensfreundlichere Tarifverträge ab – mit schlechteren Bedingungen für Arbeitnehmer. Sie gehören nicht zum deutschen Gewerkschaftsbund DGB.

1500 Leiharbeiter als Mitglieder ausgewiesen

Wie aus einer Mitgliederliste des Christlichen Gewerkschaftsbundes aus dem Ruhrgebiet hervorgeht, die dieser Zeitung vorliegt, wurden rund 1500 Leiharbeiter als Mitglieder ausgewiesen. Diese waren fast vollständig bei der Artos-Gruppe als Leiharbeiter beschäftigt. Die meisten wurden der BIGD zugeordnet.

Fast 96 Prozent dieser Gewerkschaftsmitglieder wussten allerdings bei einer Stichprobe nicht, dass Sie als Mitglied einer Christlichen Gewerkschaft geführt und Beiträge von ihnen eingezogen wurden. Einige wenige, die wussten, dass sie als Mitglieder der Christlichen Gewerkschaft geführt wurden, erklärten, dass sie bei ihrer Anstellung in der Artos-Gruppe eine Beitrittserklärung zur Christlichen Gewerkschaft unterzeichnen mussten.

Ein ehemaliger Artos-Mitarbeiter sagte Frontal 21, dass „alle Bewerber und Mitarbeiter diese Beitrittserklärung zur Christlichen Gewerkschaft unterschreiben“ mussten. Die Leiharbeiter hätten bei Einstellung zwölf bis fünfzehn Unterschriften leisten müssen – da wäre die Unterschrift unter der Beitrittserklärung oftmals gar nicht aufgefallen. „Wir haben am laufenden Band Beitrittserklärungen produziert“, sagte der Insider, der anonym bleiben möchte. Das Vorgehen sei vom Chef angeordnet worden.

Verdacht des „gewerbsmäßigen Be­trugs“

Nach Einschätzung des Dortmunder Strafrechtlers Tido Park besteht der Verdacht des „gewerbsmäßigen Be­trugs“ durch Artos. Und: „Gewerkschaftsfunktionäre, die sich wissentlich daran beteiligen, begehen jedenfalls eine Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug“.

Artos ist an mehreren Zeitarbeitsfirmen beteiligt und hat 2004 einen Dumping-Haustarifvertrag mit der Christlichen Gewerkschaft abgeschlossen, der Stundenlöhne von 4,81 Euro ermöglichte. Artos wollte auf Anfrage keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen.

Der BIGD bestreitet die Vorwürfe. Es sei bekannt, dass irgendetwas mit Artos nicht ganz korrekt gelaufen sei, deswegen habe man schon 2007 die Zusammenarbeit mit Artos beendet, sagte BIGD-Geschäftsführer Detlef Lutz dieser Zeitung. Spätestens ab 2007 habe man alle von Artos vermittelten Mitglieder angeschrieben und gefragt, ob sie auch wüssten, dass sie Mitglied der Christlichen Gewerkschaft seien. „Wer sich dann gemeldet hat, wurde nie als Mitglied geführt.“ Wie viele Personen sich meldeten, sagte Lutz zunächst nicht. Frontal 21 berichtet Dienstagabend über den Fall.