Essen. . Bis 2016 laufen fast alle rund 20 000 Konzessionsverträge für das Strom- und Gasnetz in Deutschland aus. Die Kommunen prüfen einen Einstieg mit eigenen Gesellschaften.

Revierstädte liebäugeln mit der Übernahme der Stromnetze. Ein Millionen-Markt, der aber zunächst einer Zunft ein gutes Geschäft beschert: Fachanwälten und Wirtschaftsberatern.

Bis 2016 laufen fast alle rund 20 000 Konzessionsverträge für das Strom- und Gasnetz in Deutschland aus. Al­lein im Stammgebiet des Essener Energieriesen RWE sind es 1900 Verträge. Die Stromnetze gehören den Kommunen, die für jeweils 20 Jahre Nutzungsverträge mit Versorgern abschließen. Diese zahlen den Städten im Gegenzug Konzessionsabgaben. Allein RWE überweist den Kommunen jährlich 280 Millionen Euro.

Da die Verträge nun zur Verlängerung anstehen, nutzen viele Städte die Gunst der Stunde um zu prüfen, ob sie die renditeträchtigen Stromnetze selbst betreiben. Gutachter sind dabei, für Stadträte und -verwaltungen Chancen und Risiken zu berechnen und Modelle aufzuzeigen, wie Städte mit den Stromnetzen Geld verdienen können.

Der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) er­muntert die Gemeinden, Wege zur Rekommunalisierung zu prüfen: „Auslaufende Konzessionsverträge sind ein wichtiges Instrument, um im Sinne des Verbrauchers mehr Wettbewerb im Energiemarkt zu erreichen“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck.

Versorger haben hohe Gewinnerwartungen

In Recklinghausen sind die Signale angekommen: „Der Strom wird teurer, die Versorger haben hohe Gewinnerwartungen. Aber die Stadt partizipiert nicht davon“, so Wirtschaftsförderer Axel Tschersich. Einstimmig hat der Rat deshalb beschlossen, die Frage der Bildung von Stadtwerken europaweit auszuschreiben. Laut Kämmerer Christoph Tesche gibt es bislang Interesse von vier Energieversorgern.

Ob Recklinghausen ein eigenes Stadtwerk, eine Netzgesellschaft mit RWE oder anderen privaten Partnern gründet oder am Ende alles so belässt, wie es ist, wird auch von der finanziellen Belastung für die Stadt abhängen. Gutachter be­ziffern die nötige Kreditaufnahme für Recklinghausen je nach Variante auf zehn bis 20 Millionen Euro.

Investitionen über Kredite untersagt die Bezirksregierung

Eher skeptisch gibt sich die Mülheimer Stadtspitze, die sich derzeit mit der Verlängerung der Konzessionsverträge beschäftigt. Eine Rendite von 8,5 Prozent könne nur theoretisch erzielt werden, da die zu gründende Netzbetreibergesellschaft eine feste Eigenkapitalquote erfüllen müsse. Da die Stadtkasse aber leer sei, müsse ein deutlich zweistelliger Millionenbetrag über Kredite aufgebracht werden. „Das würde uns die Bezirksregierung untersagen“, heißt es. Inzwischen ist die Zahl der Interessenten am Mülheimer Stromnetz auf sechs gestiegen.

Auch in Gelsenkirchen ist das Schaulaufen um Strom in vollem Gange: Gelsenwasser, Vattenfall und EnBW haben an die Rathaustür geklopft. Ein Gutachten ist in Auftrag gegeben. „Alles ist möglich“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. „Wir wollen Geld in die Stadtkasse spülen. Es gibt aber auch heftige Risiken. Die Versorgungssicherheit steht für uns an erster Stelle.“