Essen.. Die Korruptionsaffäre ist noch nicht ausgestanden, da steht der Essener Anlagenbauer Ferrostaal schon wieder unter neuem Druck. Führungskräfte verlassen in Scharen das Unternehmen. Die Auftragslage ist mau.
Hätte, wäre, könnte. Manches ist wohl gehörig schief gelaufen in der Vergangenheit der Ferrostaal AG in Essen. Wegen des Verdachts auf Korruption ermittelt die Staatsanwaltschaft, insbesondere geht es um ein U-Boot-Geschäft mit Griechenland, das gut zehn Jahre zurückliegt. Zeit kann man nicht zurückdrehen. Hätte, wäre, könnte. Allerdings spielen sich auch in der jüngeren Geschichte dieses Verfahrens Dinge ab, von denen Insider sagen: „Die schaden Ferrostaal schwer“.
Mitarbeiter aus der zweiten und dritten Führungsebene verlassen das Unternehmen in Scharen. Viele freiwillig, andere auf Druck der neuen Führung um Jan Secher und dem internen Hauptaufklärer Andreas Pohlmann. Der Auftragseingang sei mehr als mau, bestehende Aufträge würden mehr schlecht als recht abgewickelt, heißt es im Unternehmensumfeld.
Das Unternehmen begründet die Abwanderung von Führungskräften mit dem Neustart und dem Aufbau neuer Abteilungen. „Hauptursache“ für den Auftragsrückgang sei die Wirtschaftskrise, die im Großanlagenbau eben später als bei anderen durchschlage.
200 Millionen Euro Bußgeld
Eigentlich hätte der Anlagenbauer längst wieder auf Kurs sein müssen. So jedenfalls hat es Secher im Sommer 2010 vorhergesagt. „Bis Jahresende wollen wir das Thema hinter uns lassen.“ Nun sieht es eher so aus, als führe die Tabula-rasa-Politik des neuen Spitzentandems ins Ungewisse. Kurioserweise ist Secher mit derselben, schwer zu lösenden Frage konfrontiert, wie sein fristlos entlassener Vorgänger Matthias Mitscherlich: Wie beendet man zügig und schmerzfrei die Ermittlungen, um Ferrostaal mit über 4000 Mitarbeitern in ruhige Fahrwasser zu bringen?
Mit einer Bußgeldzahlung war bereits Mitscherlich konfrontiert. 120 Millionen Euro hatte die Staatsanwaltschaft München als Ablass gefordert. Mitscherlich lehnte ab, weil er die Vorwürfe und die Höhe der Summe für nicht ausreichen belegt hielt. Schließlich ist der Vorstandschef eines Unternehmens dem Erhalt des Vermögens verpflichtet und kann nicht einfach so 120 Millionen auskehren. Jedenfalls könnte das den Tatbestand der Untreue begründen. Inzwischen ist die Rede von 200 Millionen Euro Bußgeld. Worüber sich Beobachter nun auch nicht wundern. Schließlich hat Ferrostaal-Vorstand Pohlmann im Handelsblatt behauptet, die Schmiergeldaffäre übertreffe gemessen an der Unternehmensgröße den Fall Siemens. Besser kann man eine Staatsanwaltschaft in ihrem Tun kaum stützen.
Ein Schiedsverfahren läuft
Pohlmann gilt als Fachmann in Sachen ordnungsgemäßer Unternehmensführung (Compliance), hat er doch schon bei Siemens aufgeräumt. Schwarze Kassen, ein System von Korruption auch bei Ferrostaal? Die Süddeutsche Zeitung, in beiden Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft zu Hause, befand: „Die Behauptung ist sehr gewagt.“
Nun versucht Secher sich mit der Staatsanwaltschaft zu einigen. Für ein zig Millionen schweres Bußgeld wiederum dürfte er die Freigabe der Gesellschafter benötigen, zu 70 Prozent der Staatsfonds Ipic aus Abu Dhabi und zu 30 Prozent der frühere Mehrheitseigentümer MAN. Die Münchener Lastwagenbauer liegen jedoch im Clinch mit Ipic, der nach der Schmiergeldaffäre die Rückabwicklung des Kaufs verlangt. Ein Schiedsverfahren läuft.
Eigentümer MAN ist sauer
Und: MAN ist dem Vernehmen nach sauer auf Secher und Pohlmann. Das Ferrostaal-Management will die Jahresabschlüsse der Ferrostaal zwischen 1999/2000 bis 2008 aufmachen und über diese Jahre die Zahlungen im Zusammenhang mit der Griechenlandgeschäfts neu verbuchen. Die interne Untersuchung habe diese Notwendigkeit ergeben, so Ferrostaal.
Das aber ist umstritten. Der Vorgang betrifft wegen eines früher bestehenden Beherrschungsvertrags und einem so genannten Cash-Pooling mit MAN auch den Dax-Konzern aus München. Dem Vernehmen nach muss der nun auf Grund der neuen Ferrostaal-Abschlüsse einen dreistelligen Millionen-Betrag an Ferrostaal zahlen. Dazu wollten weder MAN noch Ferrostaal etwas sagen. Der Vorgang dürfte die Neigung von MAN, einem Bußgeld zuzustimmen, nicht gerade beflügeln.