Essen. . Immer mehr Städte erkennen im Ausbau des Glasfaserkabel-Netzes ein neues Geschäftsfeld. Essen und Bochum sind dran am Thema, sie wollen über neue Gesellschaten Millionen investieren.

Immer mehr Städte erkennen im Ausbau des Glasfaserkabel-Netzes ein neues Geschäftsfeld. Essen und Bochum sind dran am Thema, in Duisburg soll darüber verhandelt werden. Es geht um Millionen-Investitionen in die Infrastruktur und die richtige Strategie: flächendeckend oder punktuell, mit Investor oder ohne? Branchenkenner aus Gelsenkirchen und Dortmund sehen Risiken. Wer Datenautobahnen schnell und kostenintensiv ausbaue, müsse damit rechnen, jahrelang kein Geld zu verdienen.

Das Breitbandkabel aus Glasfaser gilt als zukunftsweisend in der Telekom-Branche. Mit Tablet-PCs und Co. – so die Annahme – ließen sich hohe Übertragungsgeschwindigkeiten schon bald vergolden. Vor allem das Internet- und Fernsehverhalten soll die Glasfaser revolutionieren.

Über ihre Energie-Versorger steigen die Städte in das Ge­schäft ein. Etwa 100 sind da­bei, das Feld zu beackern. Ihre Argumente: Sie wollen einen Standortvorteil erzielen, Un­ternehmen und Bürgern die neueste Technologie anbieten. Mittelfristig wollen sie auch gutes Geld verdienen, um Einbußen bei Strom und Gas auszugleichen.

Vorreiter im Ruhrgebiet ist Schwerte, Einwohnerzahl 50 000. Vor etwa drei Jahren entschlossen sich die dortigen Stadtwerke zum Einstieg ins Geschäft. 6000 Wohnungen sind ans Glasfasernetz angeschlossen. Die Schwerter gehen direkt an den Kunden heran, um Telefon-, Internet- und Kabel-TV zu vermarkten. Die Hälfte unterschreibt einen Vertrag, so Oliver Weist, Leiter der Abteilung Multimedia. Die Paketpreise beginnen bei etwa 22 Euro pro Monat. Wer eine superschnelle Leitung will, bis zu 100 Megabit pro Sekunde sind möglich, zahlt mehr. „Wirtschaftlich macht das Ge­schäft noch keine große Freude. Wir haben viel Geld investiert“, sagt Weist. Etwa 25 Millionen Euro werden die Schwerter Stadtwerke ausgegeben haben, wenn das Ausbauziel erreicht ist: 70 Prozent der Haushalte sollen angeschlossen sein. „Wir werden in fünf Jahren Erträge haben, gutes Geld aber wollen wir in zehn bis 15 Jahren verdienen.“

Auf den Zug aufgesprungen sind auch Essen und Bochum. Ihre Energieversorger kooperieren mit der Vitronet Holding. In sechs bis acht Jahren sollen über 60 Prozent der Haushalte mit dem schnellen Breitbandkabel ausgestattet sein. Dafür wollen die neuen Gesellschaften Essen.net und Glasfaser Bochum zehn bis zwölf Millionen Euro pro Jahr verbauen. „Glasfaser ist die Zukunft. Das Kupferkabel ist limitiert“, sagt Harald Ross, Geschäftsführer der Vitronet Holding. Seine Firma sei in fast allen Städten aktiv, in de­nen der Ausbau von Glasfasernetzen Fahrt aufgenommen hat, gern arbeite Vi­tronet mit Stadtwerken zu­sammen. „Das sind die richtigen Partner, sie haben durch ihr Gas-, Wasser- und Stromgeschäft gute Kontakte zu Hauseigentümern“, sagt Ross. Diese müssten dem Anschluss zu­stimmen.

Viele Stadtwerke sehen sich Branchenkennern zufolge bestens aufgestellt, um das neue Geschäft zu beflügeln. Seit Jahr und Tag verlegen sie Gas- oder Stromanschlüsse. Sie wollen den neuen Markt be­setzen und eine Doppelstrategie fahren: Sie planen, ihre Netze gegen Bezahlung an andere Unternehmen der Telekommunikationsbranche zu öffnen. Denkbar ist aber auch, zusätzlich direkt am Kunden zu arbeiten. Seit Ende der 90er-Jahre betreiben viele Städte eigene Telekommunikationsgesellschaften.

Manchmal klingt es euphorisch, wenn Stadtwerke-Vertreter über die Glasfaser re­den. Das Risiko sei überschaubar, sagt Knut Günther, Ge­schäftsführer von Essen.net. Man werde nur durchstarten, wenn Investitionen abgesichert seien. In 15 Jahren sollen sie bezahlt sein. „Dann wird’s schön.“ Doch es gibt auch Mahner: Gelsen.net und Dokom21, kommunale Telekom-Anbieter aus Gelsenkirchen und Dortmund, treten auf die Bremse. Sie wollen ihre Glasfaser-Netze behutsam ausbauen, Neubaugebiete und Gewerbegebiete anschließen.

„Man muss sehr aufpassen“, sagt Gelsennet-Geschäftsführer Thomas Dettenberg. Der Markt bei Telefon, Internet und TV sei ruinös. Es sei da künftig nicht viel zu erwarten, meint auch Jörg Figura, Ge­schäftsführer von Dokom21. „Auch wir haben seit zehn Jahren 53 Millionen in Infrastruktur investiert.“ Aber: Jede In­vestition müsse wieder reingeholt werden.