Essen. . Die Rohstoffpreise explodieren. Nach Jahren der Preisstabilität beginnt die Inflation in Deutschland wieder zu galoppieren. Im Januar erreichte sie 1,9 Prozent. Experten rechnen mittelfristig mit bis zu vier Prozent. Doch warum steigen die Preise? Die Ursachen im Detail:

Die Rohstoffpreise explodieren. Nach Jahren der Preisstabilität beginnt die Inflation in Deutschland wieder zu galoppieren. Im Januar erreichte sie 1,9 Prozent. Experten rechnen mittelfristig mit bis zu vier Prozent. Doch warum steigen die Preise? Die Ursachen im Detail:

Getreide/Brot

Landwirte, die noch große Getreidemengen auf Lager haben, können frohlocken: Für die Tonne Brotweizen bekommen sie in diesen Tagen 240 Euro. Hätten sie kurz nach der Ernte im Sommer 2010 verkauft, wären es nur 160 Euro pro Tonne gewesen.

Den rasanten Preisanstieg führt Josef Renze-Westendorf von der Landwirtschaftskammer NRW auf eine Reihe von Ursachen zurück: „Qualitätsware ist auf dem Weltmarkt knapp“, sagte er dieser Zeitung. Trockenheit und danach wechselhaftes Wetter führten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, den größten europäischen Weizen-Exportländern, 2010 zu kleinen Ernten. Deutsche Landwirte profitieren zudem von der Dürre in Russland und der Flut in Australien. Renze-Westendorf: „Die Bauern können zurzeit gute Preise erzielen.“

Das wird sich auf die Brotpreise auswirken: Gingen sie im vergangenen Jahr sogar leicht zurück, müssen sich Verbraucher 2011 auf teureres Brot einstellen. „Ich sehe Preiserhöhungen von im Schnitt zwei bis drei Prozent“, sagte Peter Becker, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks.

Gemüse und Kartoffeln

Die Preisspirale dreht sich bei Gemüse und Kartoffeln besonders schnell. Erdäpfel waren 2010 laut Agrarmarkt Informations-GmbH (AMI) fast 13 Prozent teurer als 2010. Der Grund auch hier: das Wetter. Ein langes kaltes Frühjahr, Hitze und Trockenheit im Juni und Juli und ein nasser Herbst setzten den Kartoffel- und Gemüsebauern zu. „Geringere Ernten lassen die Preise steigen“, heißt es bei der AMI.

Zucker und Kakao

Auch die Preise für Zucker und Kakao steigen immens. Auf spürbare Verteuerungen müssen sich Naschkatzen 2011 aber nicht einstellen, meint Tobias Bachmüller vom Verband der Deutschen Süßwarenindustrie. Seit Sonntag präsentieren 1500 Anbieter aus 64 Ländern ihre Neuheiten auf der Messe in Köln.

Bachmann glaubt nicht, dass die gestiegenen Kosten im Handel durchzusetzen sind. 2010 legten die Süßwarenpreise um weniger als ein Prozent zu, obwohl die Hersteller ihre Abnahmepreise an den Handel um zwei Prozent angehoben und die Rohstoffpreise deutlich zugelegt hatten.

Aber: Der Aachener Hersteller Zentis kündigt für das laufende Jahr an, seine Marmeladen um fünf Prozent teurer zu machen und macht dafür nicht nur den gestiegenen Zuckerpreis verantwortlich. Zentis-Geschäftsführer Karl-Heinz Johnen klagt auch über teurere Sauerkirschen, Erdbeeren und Pflaumen.

„Im niedrigen einstelligen Bereich“, will der drittgrößte deutsche Süßwaren-Produzent Mars für seine Riegel mehr verlangen.

Baumwolle/Textilien

Auch Kleidung wird teurer. „Die Zeiten fallender Preise sind vorbei“, sagt Boris Planer vom Marktforschungsinstitut Planet Retail. Die Textilbranche sieht sich gleich mehreren Entwicklungen ausgesetzt: Baumwolle wird immer teurer, in Asien steigen die Löhne, und wie alle anderen Branchen auch muss sie mit höheren Energiekosten zurecht kommen. Die Folge: Textilriesen wie Otto und H&M rechnen mit steigenden Preisen.

Spekulationen

Missernten und schlechtes Wetter sind aber nur ein Faktor, der die Rohstoffpreise beeinflusst. Eine immer größere Rolle spielen auch Spekulationen an Terminbörsen. „Es gibt enorme Tagesschwankungen“, verweist Josef Renze-Westendorf von der Landwirtschaftskammer NRW etwa auf den Handel mit Weizen. Für den Bonner Agrarökonom Joachim von Braun ist aber auch diese Entwicklung eine Folge schlechter Ernten: „Ekzessive Spekulation verstärkt sich nur dann, wenn die Nahrungsmittel knapp sind. In einer normalen Situation, wenn die Lager gut gefüllt sind, gibt es keinen Anreiz zur Spekulation“, sagte er in einem Interview. „Die Spekulation folgt der Verknappung.“