Stockholm.. Ikea Gründer Ingvar Kamprad soll laut öffentlich rechtlichem schwedischen Fernsehen über zehn Milliarden Euro hinterzogen haben. Kamprad beschimpft Reporter und dementiert Heimlichtuerei und Steuerverbrechen. Die Schweden nehmen ihn in Schutz.
Ikea gehört schon lange nicht mehr seinem Gründer Ingvar Kamprad, heißt es offiziell. Über ein Jahr grub das renommierte Reportageprogramm „Auftrag Prüfung“ des öffentlich rechtlichen schwedischen Fernsehens SVT in Zusammenarbeit mit der Ikea-Heimatregionalzeitung „Smålandsposten“ im Imperium des Gründers Ingvar Kamprad und kommt zu anderen Ergebnissen. Am Dienstagabend ließ SVT die Bombe zur Hauptsendezeit platzen.
Verworrenes Konzerngebilde
Kamprad, Gründer des größten Möbelkonzerns der Welt und zumindest laut schwedischen Rankings noch vor Microsoft Chef Bill Gates auch der reichste Mann der Welt, hat soll 100 Milliarden nicht versteuerte Kronen (11,3 Milliarden Euro) im Steuerparadies Lichtenstein über eine Stiftung versteckt haben. Dabei sollen die 100 Milliarden nur eine Schätzung sein. Die nun vom mächtigen Ikea-Chef unter persönlichen Beschuss geratenen Reporter Magnus Svenungsson und Lars-Göran Svensson weisen Belege auf, die zeigen, dass drei Prozent sämtlicher weltweiter Ikea Einnahmen in die Liechtensteiner Stiftung mit dem Namen „Intergo“ fließen. Freilich ohne jeglichen Steuerabzug. Bei der Stiftung soll es sich um die persönliche Familienschatulle Kamprads handeln. „Familienschatzkiste“ nennt Svenungsson das. Nicht mal die Chefetage bei Ikea soll davon etwas gewusst haben. Ingvar Kamprad ist zudem schon seit über 30 Jahren und zum großen Ärger Schwedens in der Schweiz steuerpflichtig. Das Gestrüpp aus Wohnsitzen und Konzernholdings ist schwer zu durchschauen. Ikea ist nicht mal eine Aktiengesellschaft sondern eher eine Art GmbH, auch wenn das bei der Größe Absurd wirken mag.
Die weltweiten Ikea Warenhäuser gehören der „Ingka Holding“, die in Holland registriert ist. Die holländische Holding gehört wiederum der Stiftung „Stiching Ingka Foundation“, die die Konzerneinkünfte einsammelt. Drei Prozent davon landen in dem Luxemburger Unternehmen „Inter Ikea“, die geschützten Ikeakonzern Marken-, Konzept- und Produktrechte hält. Von dort werden die drei Prozent an einen bislang unbekannten Platz weitergeleitet. Dieser Platz ist laut SVT Kamprads persönliche Schatzkiste, in Form der „Intergo Stiftung“ im Steuerparadies Lichtenstein. „Ikea tat alles Erdenkliche, um die dort angesammelten 100 Milliarden Kronen heimlich zu halten“, heißt es in der Reportage. Die sich vor Ort begibt, auf die Hauptstraße von Vaduz in Lichtenstein, „wo auf einem Messingschild die Anwaltsnamen Herbert Oberhuber und Johannes Burger stehen“ so SVT. Die beiden Anwälte geben dem Sender keine Auskunft. Es heißt weiter: „ Um der Steuer zu entgehen, seien viele Luxemburger Firmen von Ikea liquidiert worden, und nach Lichtenstein gezogen. „Lichtenstein gehört zu den am meisten abgeriegelten Ländern der Welt, wenn es um das Öffentlichkeitsprinzip bei Stiftungen geht. An Informationen kommt man nicht ran und es gibt nichts, was die Interogo Stiftung mit Ikea verbindet“, berichtet SVT. Für den Sender ist das ein klarer Fall von Steuerhinterziehung in Riesenskala.
"Kamprad vertuscht die Wahrheit"
„Niemand missgönnt Ingvar Kamprad, Milliardär zu sein. Aber er hat selbst all seinen Angestellten eingebrannt, dass er Ikea nicht besitzt, und dass das gesamte verdiente Geld wieder zurück in die Firma geht“, kritisiert Svenungsson. „Das Problem ist, das Kamprad die Wahrheit vertuscht. Er ist nicht arm, er hat viel Macht und er ‚scheißt‘ auf Wohltätigkeit“, so die drastischen Worte des ehemaligen Ikea Topmanager rund Thronerben Johan Stenebo. Stenebo hatte im vergangen Jahr mit seinem Enthüllungsbuch „Die Wahrheit über Ikea“ Schlagzeilen gemacht, nachdem er sich bei der Thronfolge bei Ikea übergangen gefühlt hatte, lieferte er damit das allererste Buch überhaupt, dass über die für einen Weltkonzern ungewöhnlich verschlossenen GmbH Ikea aus dem Inneren heraus Auskunft erteilt. Kamprad sei ein Lügner, meint Stenebo. Letzterer hat allerdings auch persönliche Rachemotive. Als geschmacklos sieht man in Schweden die bullige Reaktion Kamprads an. Bei einer Konfrontation mit dem SVT-Reporter sagt Kamprad: „Wie kannst Du solche verdammten Idiotenfragen stellen?“ Und später sagt der Ikeagründer über Reporter Svennungsson: „Er ist krank im Kopf, dieser Mann“. Am Mittwoch dementiert Kamprad in etwas höflicherer Form. Er habe die Stiftung in Lichtenstein nie heimlich gehalten und verstehe nicht, warum SVT dies behaupte. „Ich selbst als auch meine Repräsentanten für Inter Ikea haben wiederholte Male, unter anderem in zahlreichen Interviews in den 90er Jahren und später, demonstriert,wie Inter Ikea Group aufgebaut ist.“, so Kamprad in einer offiziellen Stellungnahme. Allerdings bestätigt Kamprad darin auch, dass die Stiftung Intergo Foundation, die laut SVT heimlich gehalten wurde, wirklich existiert, aber dass es sich dabei um eine langfristige Überlebenssicherung für den Konzern und nicht die Familie handle. Die in die Stiftung eingegangenen Gewinne seien bereits auf den jeweiligen Ikea-Marktplätzen versteuert worden, so das Fazit aus umständlich formulierten Sätzen. „Eine optimierte Steuerstruktur gibt uns Flexibilität, unsere Mittel benutzen zu können, die bereits auf einem Markt versteuert wurden, um Geschäfte auf anderen Märkten weiterzuentwickeln, ohne Extrabelastungen in Form von Doppelbesteuerungen“, schreibt Kamprad.
Ähnlich wie bei den hanebüchenen Enthüllungen über die systematische Ausnutzung junger Frauen durch König Carl Gustaf von Schweden wird auch Kamprad in einer ersten Reaktion vom schwedischen Volk eher in Schutz genommen. Er gilt als Ikone Schwedens, ähnlich wie der König. Die „Anschwärze“ gilt den Schweden zumindest laut Medienberichten von Zeitungen, die von Anzeigen abhängig sind, als unnötig und „unter der Gürtellinie“.
Ikea eröffnete einen Chatroom, in dem jeder seine Fragen stellen darf, zu der angeblich erfundenen Geschichte. Konsequenzen schließt der Konzern aus, und Kamprad bliebt so populär wie eh und je –wie im Übrigen auch der König.
Seit 1976 in der Schweiz zu Hause
Kamprad lebt seit 1976 in der Schweiz, weil er nach eigenen Angaben die hohen Steuern in seinem Heimatland Schweden nicht zahlen wollte. In seiner E-Mail an TT vom Mittwochabend teilte er mit, Ikea befolge die Gesetze und zahle seine Steuern. Steuern habe er aber immer auch als Kosten betrachtet. Deshalb habe er eine „optimierende Struktur“ gewählt, die dem Unternehmen „die Möglichkeit und Flexibilität gibt“, sein bereits einmal besteuertes Vermögen für die Expansion und Entwicklung zu nutzen, ohne noch einmal besteuert zu werden.