Brüssel. .
Gewerkschafter, Versicherungswirtschaft und Arbeitgebervertreter warnen vor einer Verteuerung der deutschen Betriebsrenten.
Gefahr droht ihrer Ansicht nach aus Brüssel: Dort bastelt die EU-Kommission an Möglichkeiten, Arbeitnehmern den Jobwechsel zu erleichtern und auch Rentenansprüche leichter übertragbar zu machen. Zudem ist eine Reform, die Versicherungsunternehmen krisenfester machen soll, in Planung.
Beides könnte dazu führen, dass die Kosten im deutschen Betriebsrenten-System steigen, fürchten die Versicherer. Betroffen sind allein in Deutschland 17,5 Millionen Menschen, das sind 64 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
Leistungen könnten sinken
Die Kritik entzündet sich am im Sommer veröffentlichten „Grünbuch Renten“ der EU-Kommission. Für Lebensversicherungen gelten ab 2013 strengere Finanzierungs-Anforderungen: Sie müssen dann mehr Rücklagen vorhalten, um sich gegen Verluste abzusichern. Pensionskassen sollen nach den Vorstellungen Brüssels womöglich den gleichen Eigenkapital-Vorschriften (Solvenzregeln) unterworfen werden.
Dadurch könnte die Höhe des vorgeschriebenen Eigenkapitals ums Zwei- bis Dreifache steigen, sagt Florian Swyter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Das würde zu einer erheblichen Verteuerung führen.“ Denn wer mehr Geld beiseite lege, könne weniger an den Kapitalmärkten investieren. Damit würden entweder die Leistungen sinken oder die Beiträge steigen.
Es gibt zwei Arten von Betriebsrenten: Entweder stemmt der Arbeitgeber die Kosten alleine. Oder er legt einen Teil des Gehaltes dafür zurück. Der deutsche Staat fördert den Abschluss solcher Vorsorge-Verträge. Die Gelder fließen in eine firmeneigene Pensionskasse, wie sie große Unternehmen wie BASF oder Bayer betreiben, oder in überbetriebliche Fonds.
Dieses System sei bereits heute sicher, meint Klaus Stiefermann von der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge: „Sicherheit kann man nicht nur über Solvenzregeln herstellen“. Denn wenn eine Pensionskasse pleite geht, haftet in Deutschland der Arbeitgeber. Manche Kassen unterliegen auch direkt der Finanzaufsicht
Die Versicherungsvertreter sind sich sicher, dass hinter den offen formulierten Gedankenspielen im Grünbuch konkrete Absichten stecken. Bei der EU-Kommission wiegelt man hingegen ab: Entschieden sei noch gar nichts.
Eine zweite Initiative bringt neben den Arbeitgebern und Versicherern auch die Gewerkschaften auf die Barrikaden. Seit einem halben Jahrzehnt bereits wirbt die EU-Kommission für eine bessere Übertragbarkeit von Rentenansprüchen. Denn wenn Bürger den Arbeitgeber oder gar das Land wechseln, drohen Verluste.
Dabei ist genau das im deutschen System beabsichtigt: Eine Betriebsrente fungiert auch als Treuebonus. Man kann in Deutschland die Ansprüche samt angespartem Kapital beim Jobwechsel zwar auf den neuen Arbeitgeber übertragen. Das Geld fließt aber erst ab einer Beschäftigungszeit von fünf Jahren oder mehr, und bei einem Mindestalter von 25 Jahren. Das soll dem Arbeitgeber Planungssicherheit beim Umgang mit den Pensionsgeldern geben und den Arbeitnehmer in der Firma halten. Diese Fristen sind zu lang, meint die EU-Kommission.
„Freizügigkeit genießen“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fürchtet, dass Arbeitgebern die Lust vergeht, in Betriebsrenten zu investieren, wenn ihre Mitarbeiter umstandslos den Job wechseln können. Die EU-Kommission verteidigt dagegen die Pläne. „Bürger sollten die Vorzüge der Freizügigkeit genießen dürfen, anstatt für ihre Mobilität bestraft zu werden“, heißt es im Ressort des ungarischen Sozialkommissars Laszlo Andor.