Berlin. Entlastungen der Parteien fallen unterschiedlich aus. Wie Steuerexperten die Pläne bewerten und was die Politik wohl verstreichen lässt.

Mehr Geld im Portemonnaie: Mit so einem Versprechen sind alle Parteien in den Wahlkampf zur anstehenden Bundestagswahl gezogen – zumindest für den größeren Teil der Bürgerinnen und Bürger. Legt man die letzten Umfragen vor der Wahl zugrunde, ist eine neue Bundesregierung aus Union, SPD und oder Grünen wahrscheinlich.

Sollte der FDP der Einzug in den Bundestag gelingen, kann auch sie eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung spielen. Koalitionen mit AfD und dem BSW haben die Parteien ausgeschlossen, auch die Linke dürfte keine Rolle in einer Regierung spielen. Was aber bedeuten die Pläne von Union, SPD, Grüne und FDP zu Einkommens-, Mehrwert- und Vermögenssteuer für die kommenden Jahre? Und welche Optionen für weitere Steuererleichterungen werden eher keine Rolle spielen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was planen die möglichen Regierungsparteien bei der Einkommenssteuer?

Die Sozialdemokraten um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollen kleine und mittlere Einkommen entlasten. Profitieren sollen laut einem SPD-Papier 95 Prozent der Steuerzahler, die über eine Anhebung des Grundfreibetrags und der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz entlastet werden sollen. Mehr zahlen sollen die ein Prozent, die an der Spitze der Einkommensskala stehen.

Laut dem vor ein paar Wochen beschlossenen Steuer-Papier der SPD soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent und der Reichensteuersatz von 45 auf 47 Prozent steigen. Steuerpflichtige Singles müssen aber erst dann mehr Steuern zahlen als heute, wenn sie jährlich mehr als etwa 142.000 Euro brutto verdienen, heißt es in dem Papier. Paare würden erst ab 284.000 Euro Bruttojahreseinkommen stärker besteuert.

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Die Union verspricht weniger Steuern – für alle. Der Einkommensteuertarif soll schrittweise abgesenkt, die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz deutlich erhöhet werden (dieser soll künftig erst ab 80.000 Euro Jahreseinkommen greifen, bislang gilt man ab knapp 70.000 Euro schon als Spitzenverdiener). Wer Überstunden macht, soll den Verdienst ohne Steuerabzug erhalten. Grundsätzlich wollen CDU und CSU auch den Solidaritätszuschlag endgültig abschaffen und Privatleute mit einer höheren Pendlerpauschale entlasten.

Auch die Grünen möchten geringere Einkommen entlasten. Der Grundfreibetrag (2024: 11.784 Euro) soll laut Wahlprogramm angehoben werden. Arbeitnehmer sollen darüber hinaus von einer Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags auf 1500 Euro (bislang: 1230 Euro) profitieren. Das ist der Beitrag, den jeder Beschäftige jährlich über seine Steuererklärung als sogenannte Werbungskosten pauschal geltend machen kann.

Der Grundfreibetrag hat auch die FDP im Visier – und will diesen um „mindestens 1000 Euro“ anheben. Vollständig gestrichen werden soll auch der Soli. Den sogenannten „Mittelstandsbauch“ – also, dass besonders mittlere Einkommen den großen Teil der staatlichen Abgaben tragen – wollen die Liberalen mit einem linear-progressiven „Chancentarif“ vollständig beseitigen. Der Spitzensteuersatz soll erst bei einem Einkommen von 96.600 Euro greifen. Die Partei plant einen „Tarif auf Rädern“, bei dem Freibeträge und Eckwerte an die Preisentwicklungen angepasst werden.

Wer würde von den Plänen profitieren?

Das Deutsche Steuerzahlerinstitut (DSi) hat die Pläne von CDU/CSU, SPD und FDP genauer unter die Lupe genommen. Drei Beispiele:

  • Ein kinderloser Single (48.000 Euro Jahresbrutto) würde pro Jahr durch die Union mit 893 Euro entlastet. Bei der SPD hätte die Person 428 Euro mehr im Portemonnaie, bei der FDP wären es sogar 2090 Euro.
  • Eine alleinerziehende Person mit einem Kind (48.000 Euro Jahresbrutto) hätte den Unions-Plänen zufolge 734 Euro mehr im Jahr. Die SPD würde um 412 Euro entlasten, die FDP um 1739 Euro.
  • Ein Doppelverdiener-Paar mit zwei Kindern (48.000 Euro + 30.000 Euro Jahresbrutto) würde profitieren bei CDU/CSU mit einem Plus von 1236 Euro im Jahr profitieren. Bei den Sozialdemokraten hätte die Familie 802 Euro mehr zur Verfügung, geht es nach der FDP wären sogar 2970 Euro mehr drin.

Wichtige Steuer-Tipps von Steuerfabi:

Wie sollen sich Vermögen- und Erbschaftssteuer entwickeln?

Die SPD will bei der Erbschaftssteuer „durch höhere Freibeträge für mehr Gerechtigkeit sorgen“. Vererben hingegen Multimillionäre und Milliardäre sollen sie sich über eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen. Die FDP will hingegen keine Verschärfungen bei der Erbschaftssteuer, die Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer sollen sich jedoch automatisch um die Inflationsrate erhöhen. Im Wahlprogramm der Union heißt es, es solle höhere Freibeträge für Erbschaftssteuer geben. Auch die Grünen wollen Freibeträge erhöhen. So soll sichergestellt werden, dass „die überwiegende Mehrheit der Menschen deutlich mehr steuerfrei erben kann, als vorher“.

Bei der derzeit ausgesetzten Vermögenssteuer gehen die Meinungen noch weiter auseinander. CDU/CSU sowie FDP lehnen eine Wieder-Erhebung der Steuer strikt ab. SPD und Grüne sprechen sich hingegen dafür aus, hohe Vermögen stärker zu besteuern beziehungsweise die Vermögenssteuer wieder zu erheben. Konkret wollen die Sozialdemokraten Vermögen ab 25 Millionen Euro mit einem Steuersatz von 1 Prozent, Vermögen ab 100 Millionen Euro mit 2 Prozent und ab einer Milliarde Euro mit 3 Prozent jährlich besteuern.

Wo soll es sonst noch Veränderungen geben?

Butter, Gemüse, Fleisch – die SPD will die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 7 auf 5 Prozent senken. Die Union spricht sich dafür aus, die Umsatzsteuer für die Gastronomie wieder auf 7 Prozent (derzeit: 19 Prozent) zu senken. Das galt als Hilfe für die Branche schon einmal in der Corona-Pandemie. Auch die FDP spricht sich für diese Maßnahme aus. „Einfacher“ besteuern wollen die Liberalen künftig Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Union will auch, dass haushaltsnahe Dienstleistungen besser abgesetzt werden können. Und: Es soll Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer für die erste selbst genutzte Immobilie geben – einen Vorschlag, den man ebenfalls mit der FDP teilt.

Was sagen Experten zu den Plänen?

Der Bund der Steuerzahler spricht keine Wahlempfehlungen aus. „Der Vergleich zeigt: Die Entlastungen fallen sehr unterschiedlich aus – und das betrifft Millionen Bürgerinnen und Bürger direkt“, sagte dessen Präsident Reiner Holznagel dieser Redaktion. Wertender äußert sich der Sozialverband Deutschland (SoVD).

Ausreichende Staatseinnahmen seien zentral für Wohlstand, Sicherheit und damit auch für den sozialen Zusammenhalt, sagte die SoVD-Präsidentin Michaela Engelmeier dieser Redaktion. „Bei der SPD und den Grünen geht es aus unserer Sicht in die richtige Richtung. Hier ist das solidarische Prinzip von ‚breite Schultern tragen mehr‘ klar erkennbar. Die Union und die FDP bilden hier den kompletten Gegensatz“, so Engelmeier. Pläne von CDU/CSU und auch den Liberalen würden hingegen vor allem Steuerentlastung für Besserverdienende und Vermögende vorsehen. Auch Rentnerinnen und Rentner spielten fiskalpolitisch dabei kaum eine Rolle.

Welche Steueränderungen lassen die Parteien liegen?

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hatte eine ganze Reihe an konkreten Vorschlägen gemacht. Darin findet sich unter anderem die Idee, den monatlich zu zahlenden Rundfunkbeitrag steuerlich geltend machen zu können. Bürgergeldempfänger können sich von der Abgabe an ARD, ZDF & Co. befreien lassen, Arbeitnehmer hingegen müssen sie aus versteuertem Einkommen zahlen. „Wir fordern daher, Rundfunkbeiträge als einkommensteuermindernden Posten anzuerkennen“, so der BdSt. Auch für Rentner streitet der Steuerzahlerbund für Entlastungen. So sollte etwa die seit 1954 nicht angepasste Werbungskostenpauschale „dringend erhöht“ werden. Die Abgabe der Einkommenssteuererklärung für Senioren sollte zudem „deutlich einfacher“ sein.