Berlin. Die Milch- und Fleischwirtschaft wird der MKS-Ausbruch lange beschäftigen. Und auch Verbraucher könnten die Folgen der Seuche spüren.
In Deutschland gibt es erstmals seit 1988 wieder die Maul- und Klauenseuche (MKS). Erste Länder haben bereits Importverbote für deutsche Erzeugnisse verhängt. Auch, wenn bislang lediglich ein Betrieb in Brandenburg betroffen ist, sind die Folgen bereits bundesweit zu spüren. Was auf Betriebe und Lebensmittelproduzenten zukommen kann und welche Folgen für Preise im Supermarkt abzusehen sind. Wichtige Fragen und Antworten.
Wie schwerwiegend sind die wirtschaftlichen Schäden durch den aktuellen MKS-Fall?
Bereits jetzt zeigt sich, dass landwirtschaftliche Betriebe und lebensmittelverarbeitende Unternehmen lange mit den Folgen des neuen MKS-Ausbruchs zu tun haben werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilte bereits mit, dass Ausfuhren von Milch, Milchprodukten sowie Fleisch und Fleischprodukten in Länder außerhalb der EU kaum noch möglich sein dürften.
Kurz nach dem Ausbruch hatten einige Länder bereits Importverbote auf deutsches Schweinefleisch verhängt, darunter Großbritannien, Japan, Mexiko und Südkorea. Dass die Beschränkungen schnell wieder fallen, erwarten Branchenvertreter nicht.
„Viele dieser Abnehmerstaaten fordern in den Importbedingungen, dass das Lieferland frei von der Maul- und Klauenseuche ist. Diesen Status hat Deutschland nun verloren“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Fleischwirtschaft (VdF), Steffen Reiter, gegenüber dieser Redaktion. Angaben des Verbands zufolge beträgt der gesamte Exportumsatz mit Nicht-EU-Staaten bei Fleisch und Wurst rund eine Milliarde Euro jährlich. „Der Schaden im Export dürfte somit in die Hunderte Millionen Euro gehen“, so der VdF-Chef weiter. Bauerverbandspräsident Joachim Rukwied sagte am Mittwoch, die Seuche könnte den Handel mit deutschen Produkten noch sechs Monate einschränken. Der MKS-Ausbruch dürfte auch die Agrarmesse Grüne Woche prägen, die am Freitag in Berlin beginnt.
Innerhalb der Europäischen Union sind der Handel mit tierischen Produkten und auch Tiertransporte grundsätzlich weiter möglich – allerdings nur außerhalb der um den betroffenen Betrieb in Brandenburg eingerichteten Sperrzone. In dem Bundesland galt noch bis Mittwochabend ein sogenannter „Stand still“ – also ein kompletter Stopp sämtlicher Tierbewegungen. EU-Mitgliedsstatten können allerdings auch schärfere Bestimmungen vorschreiben: Die Niederlande zum Beispiel haben bereits ein Importverbot auf Mastkälber aus Deutschland erlassen.
Neben der Fleischbranche rechnet auch die Milchwirtschaft mit Verlusten. Der Milchindustrieverband (MIV) teilte mit, wirtschaftlich betrachtet seien „deutliche Einschnitte bei Molkereiunternehmen zu befürchten“. Vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) hieß es auf Anfrage, wegen der von Drittstaaten ausgerufenen Importverbote drohten nun „sinkende Erzeugerpreise“.
Was kann der MKS-Ausbruch für Preise und Versorgung bedeuten?
Christa Kühn, Präsidentin des Friedrich-Loeffler-Instituts, das sich mit Tiergesundheit beschäftigt, erwartet insbesondere auf dem Milchmarkt Verwerfungen – und dadurch sinkende Preise in den Supermarktregalen. „Durch die Importverbote und der Zurückhaltung von Handelspartnern, Produkte aus Deutschland zu nehmen, ist der Handel gestört. Das heißt, die Nachfrage nach in Deutschland hergestellten Produkten sinkt. Verbraucher werden das schnell daran bemerken, dass sie vermutlich über einen kurzen Zeitraum weniger Geld für Milch und Butter ausgeben müssen“, sagte Kühn gegenüber unserer Redaktion.
Die Versorgung mit Milch und auch mit Fleischprodukten halten Branchenverbände für sicher. Die nun wegen der Importverbote im Binnenmarkt verbleibenden Milchprodukte könnten zeitlich befristete Verbringungsverbote beziehungsweise ausfallende Milchmengen durch Keulungen „ohne weiteres ersetzen“, teilte der BDM mit.
Wie beurteilen Supermärkte die Lage?
Mit Zurückhaltung. „Die Warenversorgung für unsere Märkte ist gesichert. Selbstverständlich beobachten wir die Entwicklungen sehr genau und stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten. Wir bitten um Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Prognosen abgeben können, dies wäre reine Spekulation“, sagte ein Sprecher von Rewe dieser Redaktion.
Was sagen Unternehmen?
Einer der größten Fleischproduzenten Deutschlands, Westfleisch aus Münster, teilte auf Anfrage mit, dass die eigene Produktion ohne Unterbrechnungen weiterlaufe. „Mit Versorgungsengpässen ist nicht zu rechnen, solange das Seuchengeschehen regional begrenzt bleibt“, so ein Sprecher gegenüber dieser Redaktion. Man berücksichtige „strikt alle Sperr- und Restriktionsgebiete“. Westfleisch hat aber vor allem Lieferanten aus dem nordwestdeutschen Raum. Deswegen gebe es derzeit „keine Einschränkungen in der Produktionsmenge“.
Etwa 900.000 Tonnen Fleisch setzt das Unternehmen jährlich ab. Rund 100.000 Tonnen davon werden jährlich in Drittländer ausgeführt, was nun nicht mehr möglich ist. Das sei ein „herber Schlag für die gesamte Wertschöpfungskette Fleisch in Deutschland“, so der Westfleisch-Sprecher. In Drittländer gehen laut Westfleich vorrangig Produkte, die hierzulande auf „wenig bis keine Nachfrage“ stoßen.
Laut Fleischverband beträgt der deutsche Exportumsatz mit Drittländern bei Fleisch und Wurst zusammen über eine Milliarde Euro pro Jahr.
Wie ist es mit Bauernhöfen?
Wegen besonderer Vorsichtsmaßnahmen müssen rund um den betroffenen Betrieb in Brandenburg Höfe bereits jetzt Tausende Liter Milch wegkippen. Von MKS betroffene Tiere werden getötet. Das würde bei stärkerer Ausbreitung auch weitere Betriebe betreffen. Landwirte werden dann über die Tierseuchenkasse entschädigt. Der BDM verweist neben der wirtschaftlichen Belastung für die Bauern auch auf die psychische. „Jahrzehntelang getätigte züchterische Arbeit in den Aufbau eines wertvollen Tierbestandes werden quasi vom Hof geholt“, hieß es vom BDM.
Der MKS-Ausbruch 2001 in Großbritannien führte zu Einkommensverlusten in Höhe von zwölf Milliarden Euro. Damals mussten mehr als sechs Millionen Tiere geschlachtet werden, was die Existenzgrundlage zerstörte und zu einer steigenden Suizidquote unter Landwirten führte.
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