Essen. Wegwerfen unter Strafe verboten? Viele Falschmeldungen zu neuer Altkleiderverordnung. Verwirrung auch in Städten, Dortmund verlangt sogar Gebühr.
Darf man kaputte Altkleider noch in den Hausmüll werfen? Ab dem ersten Januar 2025 gilt eine neue EU-Verordnung für Altkleider und die sorgt im Vorfeld für reichlich Verwirrung – nicht nur bei Verbraucherinnen und Verbrauchern. Selbst aus den Städten haben wir auf Nachfragen sich widersprechende Antworten erhalten. Zur Verunsicherung beigetragen haben etliche Berichte auch etablierter Medien und Fachzeitschriften über ein angebliches neues Verbot, nach dem man selbst unbrauchbare Altkleider nicht mehr in den Hausmüll werfen dürfe – es drohten sogar Bußgelder, hieß es. Das ist nicht richtig, allerdings in den Kommunen auch unklar, wie genau sie mit den neuen Vorgaben nun umgehen sollen. Dies sind die wichtigsten Fragen und Antworten:
Dürfen unbrauchbare Altkleider noch in den Restmüll?
Es gebe kein entsprechendes Verbot, erklärt das Landesumweltministerium auf Anfrage. Kaputte oder verschmutzte Textilien dürfen also weiterhin in den Restmüll geworfen werden – auch wenn vielfach anderes berichtet wurde. Die neue Verordnung gehe darauf überhaupt nicht ein, so das Ministerium von Oliver Krischer (Grüne). Die neue Regelung solle lediglich sicherstellen, dass „eine möglichst hohe Wiederverwendungs- bzw. Recyclingquote von Alttextilien erreicht wird“.
Tatsächlich fordert die EU-Regel, die Deutschland in sein Kreislaufwirtschaftsgesetz übernommen hat, lediglich eine separate Sammlung auch von unbrauchbaren Altkleidern durch die Kommunen. Diese müssen es ab 2025 ermöglichen, dass Verbraucher ihre Altkleider getrennt abgeben können. Aber sie müssen nicht.
„Zerschlissene, kaputte, löchrige und dreckige Textilien sollten auch weiterhin in der Restmülltonne entsorgt werden“, betont sogar Thomas Ahlmann, Sprecher von FairWertung, einem Netzwerk von gemeinnützigen Organisationen zur Sammlung von Altkleidern. Denn in den Sammelstellen würden sie auch nur aussortiert und ebenfalls entsorgt.
Was sagen die zuständigen Betriebe der Städte?
Viele Entsorgungsbetriebe deuten die neue Rechtslage offenbar anders. In einer Mitteilung schreibt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU): „Altkleider dürfen nicht mehr in den Restmüll. Wiederverwendbare und noch tragbare Textilien müssen im Altkleidercontainer entsorgt werden“.
Die Entsorgungsbetriebe Essen formulieren vorsichtiger. Sie raten davon ab, kaputte Alttextilien weiter in der Restmülltonne zu entsorgen. „Die Graue Tonne (aber auch die anderen Tonnen im System) seien nicht mehr das erlaubte Mittel“, schreiben sie auf Anfrage. Auch in Dortmund soll unbrauchbare Kleidung nicht in den Hausmüll geworfen werden.
Doch nicht einmal die Entsorger sind sich in dieser Frage einig: So bittet der Umweltservice Bochum GmbH (USB) ausdrücklich darum, verschmutzte und kaputte Kleidungsstücke „bitte im Restmüll“ zu entsorgen.
Werden die Sammelstellen für Altkleider durch die neue Verordnung überlastet?
Auch hier gehen die Einschätzungen weit auseinander. Das NRW-Umweltministerium erwartet nicht, dass demnächst mehr untragbare oder verdreckte Altkleider in den Containern landen. Genau das befürchten aber die Sammler. Ihre Stellen seien jetzt schon ausgelastet. Es sei zu befürchten, dass die Mengen an nicht weiterverwendbarer Kleidung in den Sammelstellen „EU-weit stark ansteigen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und FairWertung.
„Wir müssen darauf achten, dass unser aktuelles, gut funktionierendes und kostenloses System nicht gefährdet wird“, sagt Thomas Ahlmann von FairWertung. Die Essener Entsorgungsbetriebe vermuten: „Aufgrund der umfassenden Berichterstattung könnte eine vermehrte Nutzung der Container die Folge sein.“
Welche anderen Lösungen gibt es schon?
Die Essener bieten ein anderes System an: Es heißt „Looper Collect“. Hier werden „Textilien sämtlicher Art nach Buchung auf der Onlineplattform zu Hause abgeholt“, so ein Sprecher. In Dortmund soll man seine nicht weiterverwendbare Kleidung auf den Wertstoffhöfen abgeben – gegen eine Gebühr. Denn in die eigenen Altkleidercontainer dürfen diese ausdrücklich auch nicht geworfen werden. Auch das Bochumer „Altkleidertaxi“, das man sich nach Hause bestellen kann, nimmt keine verdreckten und kaputten Textilien an.
Auch interessant
Eine Lösung, wie das Problem gar nicht erst entsteht: Pullover, die man selbst kompostieren kann. Katja Glück hat dazu ein kleines Startup gegründet. Sie vertreibt ihre voll kompostierbaren Pullover online auf der Seite „Outdoorbaby“ unter dem Namen Balu. An den Balu-Pullovern sei alles, auch Nähte, Farbstoffe, Etiketten und Stoffe ökologisch abbaubar sei. Seien sie zerschlissen, müssten sie weder verbrannt noch weggeschmissen werden, sondern könnten einfach auf den Kompost.
Was will die EU mit der neuen Regelung erreichen?
Die Neuregelung soll zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft beitragen, bei der Müll in erster Linie vermieden werden soll. Dazu müssen Phänomene wie „Fastfashion“ gestoppt werden. Denn hier nimmt die Masse an produzierten Textilien zu, die Qualität aber immer mehr ab. Enthalten Stoffe viele verschiedene Fasern, dann können diese Gemische nicht mehr gut recycelt werden. Bis jetzt werde in der EU nur ein Prozent der Kleidung recycelt, schreibt der Sprecher der Entsorgungsbetriebe Essen. Viele Kleider landen so auf illegalen Deponien in zum Beispiel Afrika und werden dort weder weiterverwendet noch recycelt.
Eine gute Kreislaufwirtschaft, so die einhellige Auffassung der Experten, sieht hier vor, dass in erster Linie der Müll vermieden wird, indem alles so lange wie möglich verwendet wird. Ist das nicht möglich, dann sollen die Rohstoffe des Materials möglichst zurückgewonnen werden, um dann weiterverarbeitet werden zu können. So müssten dann auch keine – teils sogar unbenutzten – Textilien exportiert werden, nur, um dann auf illegalen Deponien zu landen.
Wie hoch ist die Erfassungsquote von Alttextilien in Deutschland?
Derzeit werden laut VKU und FairWertung in Deutschland so schon 64 Prozent der Alttextilien in einem Sammelsystem erfasst. „Nirgendwo auf der Welt klappt das so gut wie in Deutschland“, sagt Thomas Ahlmann von FairWertung. In Italien und Frankreich liege man deutlich unter 45 Prozent. Das Landesumweltministerium glaubt deshalb auch, dass die neue Regelung keine sehr große Bedeutung für Deutschland habe. Aber sie soll eben auch in allen anderen EU-Ländern eine Grundlage schaffen, um mehr Altkleider zu erfassen und sie auf diese Weise vielleicht weiterverwenden oder recyceln zu können.