Berlin. Der Autobauer Volkswagen plant, zehntausende Stellen zu kürzen. Betriebsrat und IG Metall kündigen Widerstand gegen die Sparpläne an.
Volkswagen will nach Angaben des Betriebsrats in Deutschland mehrere Werke schließen und zehntausende Arbeitsplätze abbauen. „Der Vorstand will in Deutschland mindestens drei VW-Werke dichtmachen“, sagte Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft in Wolfsburg. Alle verbleibenden Standorte sollten zudem schrumpfen, fügte sie hinzu. Über diese Pläne habe der Konzern nun die Arbeitnehmerseite informiert.
Als besonders gefährdet gilt laut Betriebsrat das Werk in Osnabrück, das kürzlich einen erhofften Folgeauftrag von Porsche verloren hatte. Zudem plane der Vorstand betriebsbedingte Kündigungen, sagte Cavallo. Laut Betriebsrat droht der Verlust von zehntausenden Arbeitsplätzen. Ganze Abteilungen sollten geschlossen oder ins Ausland verlagert werden.
„Lange Zeit waren Kunden bereit, relativ hohe Preise für Produkte aus Deutschland zu akzeptieren. Deutsche Hersteller waren Treiber – heute sind sie Getriebene durch neue Wettbewerber, die offensichtlich vor allem in China mit neuen Produkten und Schwerpunkten bei der Fahrzeugsoftware den neuen Kundenansprüchen besser gerecht werden“, sagte Automobilfachmann Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft (IfA) dieser Redaktion. Derzeit sei die Marke VW „weder massen- noch premiumtauglich“, so Reindl. Angesichts ungünstiger Kostenstrukturen sowie niedriger Produktivität bei Entwicklung und Produktion sei man zunehmend unter Druck geraten.
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Volkswagen-Betriebsrat: „Legt Euch nicht mit der VW-Belegschaft an“
„Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher!“, sagte Cavallo. Nähere Angaben machte sie nicht. Am Mittwoch kommen Konzern und die Gewerkschaft IG Metall zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde über den VW-Haustarif zusammen. Bereits in der ersten Runde im September hatte VW die Forderungen der IG Metall nach sieben Prozent Erhöhung zurückgewiesen und stattdessen auf Einsparungen gedrängt. Nähere Angaben hatte VW dazu bisher nicht gemacht.
Cavallo kündigte Widerstand gegen die Pläne an. „Ich kann nur alle Vorstände und alle an der Unternehmensspitze warnen: Legt Euch nicht mit uns, mit der VW-Belegschaft an“, sagte sie unter dem Beifall der Mitarbeiter. „Ihr steht ganz kurz vor der Eskalation!“ Die Friedenspflicht endet bei VW Ende November, danach sind auch Streiks möglich.
Den Konzern forderte Cavallo erneut auf, eine Gesamtperspektive für VW vorzulegen und nicht nur einzelne Sparmaßnahmen. „Mit uns wird es keine Salamitaktik geben. Keine Teillösungen und keine faulen Kompromisse. Uns geht es um ein Gesamtpaket für alle drei Themenbereiche. Alles Andere wird mit uns nicht zu machen sein!“ Laut Cavallo fordert VW nun zehn Prozent Lohnkürzung sowie Nullrunden in den kommenden beiden Jahren. Darüber hatte zuvor das „Handelsblatt“ berichtet.
Und wie reagiert der Vorstand des Automobilunternehmens? Mit einem internen Schreiben, das der Redaktion der Braunschweiger Zeitung (gehört ebenfalls zur Funke Mediengruppe) vorliegt, wollen die Bosse die Belegschaft trotzdem auf ihre Seite ziehen. Die klare Botschaft: Die Krise lasse sich nur gemeinsam bewältigen. Zugleich nannte der Vorstand fünf Punkte, bei dem es auf das „Wir“ ankomme.
Widerstand gegen VW-Sparprogramm angekündigt
Nach der Ankündigung brodelt es in den VW-Werken: Ab Dezember planen die Mitarbeiter bundesweit Protestaktionen, um gegen drohende Einschnitte zu kämpfen. Dies kündigte Uwe Kunstmann, Gesamtbetriebsratschef von VW in Sachsen, am Montag an und machte deutlich, dass die Belegschaft die geplante „Abwärtsspirale“ bei Löhnen und Produktionskapazitäten nicht akzeptieren wird. Vor dem Werkstor in Zwickau versammelten sich bereits Tausende Beschäftigte mit Trillerpfeifen und roten Weckern, um ihrer Enttäuschung und Wut Luft zu machen.
Die IG Metall will die VW-Pläne nicht hinnehmen: „Diese Rabiatpläne des Vorstandes sind in keiner Weise hinnehmbar und ein Bruch mit allem, was wir in den letzten Jahrzehnten im Unternehmen erlebt haben“, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. „Wir wollen Standorte, Auslastung und Beschäftigung langfristig absichern. Wenn die Chefetage den Abgesang Deutschlands einläuten will, müssen sie mit Widerstand rechnen, den sie sich so nicht ausmalen kann!“
Die Bundesregierung äußerte sich ebenfalls besorgt über die Entwicklungen bei VW und forderte den Erhalt von Arbeitsplätzen. Die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz dazu sei klar: „nämlich, dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen“.
VW kippt Beschäftigungssicherung: Werksschließungen und Kündigungen ab 2025 möglich
VW hatte Anfang September angekündigt, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger auszuschließen. VW hatte im September die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt. Ab Mitte 2025 wären betriebsbedingte Kündigungen möglich.
Der Autobauer beschäftigt in Deutschland rund 120.000 Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt VW in Deutschland zehn Werke, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eins in Hessen.
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