Essen. Eine bekannte Metzgerei in Essen hatte zuletzt vier Tage die Woche zugemacht. Der Grund: Personalmangel. Jetzt gibt es neue Öffnungszeiten.

„Montag bis Donnerstag Ruhetag“ hieß es zuletzt bei der bekannten Fleischerei Gronau in Essen an der Gervinusstraße im Stadtteil Frohnhausen. Der Grund: Sechs Mitarbeiter hätten gekündigt, neue seien schwer zu finden. Die Öffnungszeiten in der zweiten Filiale in Rüttenscheid blieben aber bestehen. Auf einem Flugblatt machte Inhaber Peter Vogel seinem Ärger Luft und nannte die Kündigungsgründe seiner Mitarbeiter: „Kürzerer Arbeitsweg, zu hohe Steuern, mache nur noch Aushilfe, nehme erstmal eine Auszeit, möchte Samstag nicht arbeiten.“ Zwei würden sogar für 350 bis 400 Euro weniger beim Discounter anfangen. Der Mitarbeitermangel sei existenzbedrohend.

Doch jetzt kommt die Wende: Seit fast zwei Wochen ist die Filiale an der Gervinusstraße 2 wieder sechs Tage die Woche geöffnet – von Montag bis Samstag.

Das Flugblatt hatte der Inhaber relativ schnell wieder entfernt. Nicht bei allen Kundinnen und Kunden ist das dem Vernehmen nach gut angekommen. Auf der anderen Seite versuchten viele, ihm bei der Suche nach Personal zu helfen. Mehr als 20 Menschen hatten das Flugblatt bei Facebook veröffentlicht, um schnell wieder bei ihrem Lieblingsmetzger zu den gewohnten Zeiten einkaufen gehen zu können. Ein User kommentierte den Personalmangel: „Leider mittlerweile Standard in Deutschland.“ Auf die Nachfrage dieser Redaktion Ende September möchte Peter Vogel nicht öffentlich zitiert werden. Mit seiner Sorge ist der Metzger aber nicht alleine.

Auf einem Flugblatt kündigt Peter Vogel von der Metzgerei Gronau die geänderten Öffnungszeiten an der Gervinusstraße an.
Auf einem Flugblatt kündigt Peter Vogel von der Metzgerei Gronau die geänderten Öffnungszeiten an der Gervinusstraße an. © WAZ

Auch andere Betriebe in ganz NRW haben Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu finden und bangen um ihre Existenz. Fehlendes Personal – sowohl Fachverkäufer als auch Metzger – sind in der Branche schon seit Jahren ein Thema. „Das betrifft aber nicht nur NRW, sondern das gesamte Bundesgebiet“, sagt Adalbert Wolf, Landesinnungsmeister des Fleischerverbands NRW. Die Gründe sind vielfältig. Anscheinend ist der Beruf unattraktiv – warum?

Personalmangel im Metzgerberuf: „Gefühl spielt eine Rolle, dass Leistung nicht mehr zählt“

Im Ausbildungsjahr 2023/24 haben Unternehmen den Arbeitsagenturen in NRW 703 Stellen für die Ausbildung als Fachkraft für Fleischverarbeitung und 832 Stellen im Verkauf von Fleischwaren gemeldet. Zum Ausbildungsstart Ende August 2024 waren noch immer 333 Ausbildungsplätze für Metzger und 461 im Verkauf unbesetzt – also etwa die Hälfte. Das bestätigt auch Wolf: „Es sind seit Jahren viele Ausbildungsstellen unbesetzt, wir müssen teilweise ganze Berufsschulen schließen und haben Schwierigkeiten, die bestehenden voll zu bekommen.“

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Wolf sieht den Arbeitskräftemangel in der Branche als ein strukturelles Problem in Deutschland. Oft spiele das Gefühl eine Rolle, dass sich Arbeit nicht lohnt und Leistung nicht mehr zählt. Zwar wurde die Ausbildungsvergütung vom Fleischerverband NRW „deutlich angehoben“, im ersten Jahr beträgt sie nun 1000 Euro, im zweiten 1100 Euro und im dritten 1250 Euro, wobei es regionale Unterschiede gibt. Doch überall gebe es Personalnot, da mache die erhöhte Arbeitsbelastung und auch Samstagsarbeit den Beruf als Fleischer nicht unbedingt attraktiver. Ein Teufelskreis. Fehlt Personal, müssen bestehende Mitarbeiter oft Überstunden machen. Überlastungen führen dann wiederum zu vermehrten Krankmeldungen.

„Passt vielen Menschen nicht in die Work-Life-Balance“

Johann Steineshoff, der einen Metzgerbetrieb in Essen und einen in Mülheim betreibt, sieht das ähnlich: „Junge Menschen können sich ihren Beruf heutzutage nahezu aussuchen.“ Berufe wie der des Metzgers, bei dem der Arbeitsaufwand und die körperliche Belastung vergleichsweise hoch sind, stehen dabei dann oft nicht an erster Stelle. „Heute achten viele auf ihre Work-Life-Balance. Da passt eine Sechs-Tage-Woche und Samstagsarbeit natürlich nicht gut rein.“ Dazu komme, dass viele Kinder heute nicht mehr in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und den Betrieb übernehmen.

„Zusätzlich hat die Branche auch damit zu kämpfen, dass es immer mehr Supermärkte und große Ketten gibt, in denen Fleisch- und Wurstwaren angeboten werden und in denen viele dann aus Bequemlichkeit alles einkaufen“, sagt Adalbert Wolf von der Landesinnung. Und das häufig viel günstiger. Auch die Bürokratie sei in Deutschland ein Problem und mache es Unternehmern nicht unbedingt einfacher. „All diese Faktoren führen dazu, dass es vor allem kleinere Betriebe schwerer haben und teilweise auch verschwinden“, so Wolf. Das zeigt sich auch in Zahlen: Während es vor 30 Jahren noch über 200 Betriebe in Essen gab, sind es heute nur noch zwölf, die auf der Seite der Landesinnung registriert sind.

Blick in die Zukunft: „Wenn es kein Personal gibt, müssen andere Wege gefunden werden“

Und doch ist Wolf optimistisch: „Ich gehe davon aus, dass es auch in Zukunft Fleischerbetriebe geben wird.“ Der Fleischkonsum in Deutschland ist in den letzten Jahren zwar leicht zurückgegangen. Immerhin aß im Durchschnitt aber jeder Deutsche 51,6 Kilogramm Fleisch. Laut Wolf würden Kunden auch weiterhin zum Metzger kommen, weil sie hochwertige Produkte aus eigener Herstellung schätzen. „Für kleinere Betriebe wird es aber anders werden.“ Dazu gehöre auch, dass immer mehr vegane und vegetarische Produkte hergestellt werden. Auch im Catering-Bereich sei ein großes Wachstum zu sehen. „Betriebe müssen einfach mit der Zeit gehen, um zu überleben.“

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Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, werde der Einsatz von Automatentechnik im Verkaufsbereich zunehmend an Bedeutung gewinnen, prognostiziert Wolf. Der Trend gehe verstärkt in Richtung von personalfreien Verkaufsmodellen. Vorreiter dieses Konzepts in Essen ist Johann Steineshoff, der im Juli 2024 die Metzgerei Ziegler in Essen-Stoppenberg übernahm und eine weitere Filiale in Mülheim betreibt. Unter dem Namen „Landfleischerei Heißener Hof“ wird der Betrieb nun fortgesetzt. Der Inhaber setzt auf ein Selbstbedienungskonzept.

NORD Nach dem Ende von Metzgerei Ziegler in Stoppenberg: Nachfolger, Johann Steineshoff,  präsentiert Konzept ohne Personal (Eingang und Bezahlen mit Handy)
Johann Steineshoff sieht die Zukunft von Metzgereibetrieben in der Selbstbedienung: „Gibt es kein Personal, müssen eben andere Wege gefunden werden.“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

In den Theken liegt Ware aus, die mindestens zweimal täglich erneuert wird. Bezahlt wird an einem Selbstbedienungs-Terminal. Zur Sicherheit wurden im Ladenlokal in Stoppenberg Videokameras angebracht. Vor allem von jungen Leuten werden die verlängerten Öffnungszeiten des Selbstbedienungs-Geschäfts (6 bis 22 Uhr täglich, auch sonntags) gut angenommen, sagt der Inhaber. Die Leute seien froh, dass der Verkauf weiter geht. „Und wir planen, das Konzept noch auszubauen und das Sortiment zu erweitern“, sagt Steineshoff. „Wenn es kein Personal gibt, müssen eben alternative Möglichkeiten gefunden werden.“

Zur Zukunft des Metzgerhandwerks sagt Steineshoff: „Wenn es keinen Nachwuchs im Metzgerberuf gibt, werden viele Betriebe vermehrt Ware aus dem Ausland beziehen.“ Er setze jedoch weiterhin auf heimische Qualität und ist überzeugt, dass sein Verkaufsmodell auch langfristig Bestand haben wird. Was es dann natürlich nicht mehr gibt, ist der vertraute Plausch mit den Verkäuferinnen und Verkäufern.