Berlin. Der Zustand maroder Brücken sorgt viele. Die Bauindustrie warnt nun: Scheitern die Haushaltsverhandlungen, drohe ein Vergabestopp.

Seit dem Einsturz der Dresdner Carolabrücke vor einer Woche wird über den Zustand der deutschen Infrastruktur debattiert. Zwar ist seit Jahren bekannt, dass die Brücken marode sind, Straßen bröckeln und Gleise unbenutzbar werden. Dass aber eine Brücke unerwartet zusammenbricht, hat den Blick auf die Infrastruktur geschärft. Es lag wohl nur am glücklichen Zeitpunkt, die Brücke mit der einstigen Tramtrasse krachte tief in der Nacht in die Elbe, sodass niemand verletzt wurde.

Aus der Politik war nach dem spektakulären Vorfall das Meinungsbild recht einhellig: Man müsse nun dringend etwas machen, das Tempo bei den Sanierungen beschleunigen, die Infrastruktur wieder fit bekommen. Doch die Bauindustrie befürchtet das komplette Gegenteil – und verweist auf den andauernden Haushaltsstreit der Ampel-Koalition. „Wenn der Nachtragshaushalt für dieses laufende Jahr gerade für die Autobahn aus irgendeinem Grund nicht oder verzögert kommt, erleben wir automatisch einen kompletten Vergabestopp“, sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), unserer Redaktion. Die Folge: „Dann wird keine einzige Brückensanierung mehr in diesem Jahr angegangen. Und auch keine Planung für die Folgejahre.“

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„Laufen sehenden Auges in zahlreiche Brückensperrungen“

Seit Monaten streiten SPD, Grüne und FPD im Bund über ihre Finanzplanung. Dabei dreht es sich allerdings vor allem um den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr, in dem eine Lücke von rund zwölf Milliarden Euro klafft. Parallel dazu hatte sich das Bundeskabinett aber auch auf einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr verständigt und diesen nun in den Bundestag eingebracht. Nötig geworden war der Nachtragshaushalt, weil sich die Wirtschaft schwächer als prognostiziert entwickelt hatte.

Laut HDB-Chef Müller würde man „sehenden Auges in zahlreiche Brückensperrungen“ laufen. Entsprechend schaue man bei den aktuellen Verhandlungen „sehr genau hin“. Geplant ist im Nachtragshaushalt, dass die Autobahn GmbH in diesem Jahr noch 300 Millionen Euro zusätzlich erhält. Insgesamt werden für Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb der Fernstraßen in diesem Jahr rund 11,7 Milliarden Euro ausgegeben, im kommenden Jahr sollen es 12,1 Milliarden Euro sein. Zu wenig, findet Müller. Seiner Auffassung nach brauche es im Fernstraßentopf noch in diesem Jahr mindestens 600 Millionen Euro mehr. In den Folgejahren müsse die Summe laut dem HDB-Chef auf jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich steigen.