Wolfsburg. Der Volkswagen-Konzern will die bis 2029 geltende Beschäftigungssicherung kündigen. In Deutschland stehen zwei Fabriken auf der Kippe.

Dramatische Zuspitzung der Krise bei Volkswagen. Der Autobauer zieht die Reißleine, will die bis 2029 geltende Beschäftigungssicherung und die Tarifverträge kündigen. Damit werden im nächsten Jahr nicht nur betriebsbedingte Entlassungen wahrscheinlich. Zudem stehen ein Fahrzeug- und ein Komponentenwerk in Deutschland auf der Kippe. Dieser Montag könnte somit für Volkswagen historische Bedeutung erlangen. Steht dieses Vorgehen doch für einen Tabubruch bei Volkswagen.

Der Grund: VW erreicht seine Sparvorgaben nicht, die Kosten sollen bis 2026 um 10 Milliarden Euro gedrückt werden. Dabei geht es um Produkt-, Material-, Fabrik und Arbeitskosten. Der Vertrieb soll leistungsfähiger werden. Eine weitere mögliche Folge des neuen Sparkurses: Dem Werk Wolfsburg droht offenbar der Verlust eines für 2026 geplanten Elektro-SUV. Das Unternehmen läuft Gefahr, in die roten Zahlen abzurutschen.

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Insbesondere das Geschäft mit E-Autos läuft nicht wie erhofft. Die Margen sind geringer als die der Verbrenner. Die allgemeine Kaufzurückhaltung verschärft die Situation. Derzeit stabilisiert vor allem das Chinageschäft das Unternehmen – das reicht auf Dauer nicht. Nach Informationen unserer Zeitung kommt die Marke VW auch beim geplanten Stellenabbau über Altersteilzeit und Abfindungen nicht so voran wie erhofft. Das gilt vor allem für das Abfindungsprogramm, das anders als die Altersteilzeit für rasche finanzielle Entlastung hätte sorgen sollen.

VW-Konzern könnte in die roten Zahlen rutschen

Vom Unternehmen hieß es, es sehe sich zur Kündigung der seit 1994 bestehenden Beschäftigungssicherung gezwungen. „Ein Umbau allein entlang der demografischen Entwicklung ist aus Sicht des Unternehmens nicht ausreichend, um die kurzfristig notwendigen Strukturanpassungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.“ Auch Werkschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten könnten in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden.

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Schichtwechsel in Wolfsburg. © regios24 | Michael Uhmeyer

Um welche Werke es konkret geht, das ließ der Autobauer offen. „Die Lage ist äußerst angespannt und nicht durch einfache Sparmaßnahmen zu bewältigen“, heißt es in einer internen Erklärung. In ihr wird auch Markenchef Thomas Schäfer zitiert: „Deshalb wollen wir schnellstmöglich in Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung eintreten, um über die Möglichkeiten einer nachhaltigen Restrukturierung der Marke zu sprechen.”

Betroffen ist nicht allein die Marke VW, sondern auch die Komponenten- und Nutzfahrzeugfertigung. Sie bilden zusammen die Volkswagen AG, zu der die Werke Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Hannover, Emden, Kassel, Osnabrück sowie Dresden, Zwickau und Chemnitz gehören. gehören. Betriebsratschefin Daniela Cavallo kündigt in einem Extrablatt der Betriebsratszeitung „Mitbestimmen“ „erbitterten Widerstand“ an. Sie werde keine Standortschließungen zulassen. Und sie macht dem Vorstand schwere Vorwürfe. Der habe vor allem auf rein elektrische Autos gesetzt, den Trend zu Hybrid-Fahrzeugen verpasst. Daher fehlten jetzt Modelle.

Qualitätsprobleme bei den ersten VW-Stromern

Sie kritisierte ferner den holperigen Start der ersten Modelle, die auf Basis des Modularen Elektrobaukastens gefertigt wurden – zuallererst der ID.3. Diese Autos hatten große Qualitätsprobleme, kamen auch optisch nicht an. Das Beheben dieser Fehler belaste das Unternehmen enorm. Cavallo spricht von „einer finanziellen Durststrecke, die noch lange anhalten wird“. Aktuelle Verbrenner-Modelle könnten dieses Finanzloch nicht stopfen.

Die Betriebsratschefin beklagt, dass der nun beschrittene Sparkurs der falsche Weg sei. Stattdessen brauche es eine längerfristig angelegte Strategie, um die Kosten zu drücken. Beispielhaft nannte sie Aspekte, die schon seit vielen Jahren immer und immer wieder aufploppen. Etwa das Vermeiden von doppelten Kosten im Konzern, das Verringern der Komplexität oder das Verschlanken der internen Prozesse.

„Wir fordern, dass der Konzernvorstand endlich seine Verantwortung wahrnimmt“, erklärte Cavallo. „Wir lassen keine Salamitaktik zu, bei der der Vorstand Standorte infrage stellt, unseren Haustarif angreift und sich nicht mehr zur Gleichrangigkeit von Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung bekennt.“

Dudenhöffer: „Bei VW tut man sich schwer mit der Kostenstruktur“

„Die Situation ist sehr ernst“, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Bei VW tut man sich seit Jahrzehnten schwer mit der Kostenstruktur. Die Kosten sind zu hoch und die Profitabilität entsprechend niedrig. Wenn man es ehrlich betrachtet, finanzieren die VW-Standorte in der Welt Deutschland“, sagt Dudenhöffer, der als Direktor das CAR-Institut Bochum leitet. Unpassend sei auch, dass der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume sowohl VW als Konzern als auch Porsche als Marke in Personalunion führe. „Es wäre besser, wenn er nur den Konzern führen und sich mehr um die Marke VW kümmern würde.“

Aus Sicht von Dudenhöffer werde es bei VW keine kurzfristige Lösung geben. Vielmehr müsse langfristig die Kostenstruktur angepasst werden. „VW muss mehr Skoda werden als VW, die Autos müssen mehr China werden anstatt Wolfsburg. Wenn man dies schafft, könnte man den Wandel schaffen. Doch das wird viele Schweißperlen kosten.“

In der Summe ist der Volkswagen-Konzern aus Sicht des Auto-Experten mit seinen verschiedenen Marken wettbewerbsfähig. Das größte Problem in dem Konzern sei die Kernmarke VW - und hier vor allem der Standort Deutschland. „VW ist durch die Beteiligung Niedersachsens seit jeher eher ein Staatskonzern als ein Privatkonzern. Niedersachsen und die Gewerkschaft IG Metall hatten immer eine übermächtige Stellung. Deshalb war es nie möglich, aus VW ein hochwettbewerbsfähiges Unternehmen aufzubauen.“