Berlin. Verformte Schienen, unterspülte Gleise: Die Bahn muss sich auf extremes Wetter besser einstellen – mit Folgen auch für die Fahrgäste.

Eine Hoffnung hieß: weiße Farbe und ihr kühlender Effekt. Scheint die Sonne auf das Schienennetz der Deutschen Bahn, können sich bei extremer Hitze Gleise verformen, da sich der Schienenstahl ausdehnt. Die Folge: Verspätungen, Zugausfälle, Chaos am Bahnsteig. Schon bei den ersten Anzeichen, dass sich Gleise verformen könnten, werde die Geschwindigkeit gedrosselt, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn unserer Redaktion.

Auch wenn in diesem Jahr noch kein Fall verformter Gleise bekannt ist – die Deutsche Bahn muss sich auf Hitzeextreme einstellen, und darauf, dass mit dem Klimawandel die Berechenbarkeit des Wetters abnimmt. Aber was ist denkbar?

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Arbeiter malten erst auf einem Testgelände in Sachsen-Anhalt probeweise Schienen und später in Nordhessen auf der Pfieffetalbrücke bei Melsungen einen ein Kilometer langen Abschnitt weiß an. Das war kurz nachdem auch die Österreichischen Bundesbahnen ÖBB bei Bludenz rund 60 Kilometer südlich von Lindau am Bodensee fünf Kilometer Schiene weiß getüncht hatten. Und die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) machten dies auf Abstellgleisen in der Nähe von Solothurn.

Deutsche Bahn: Weißer Anstrich hat sich nicht bewährt

Das waren alles Tests zwischen 2018 und 2020. Weiße Farbe, um es mit einem einfach Wort zu sagen, schluckt nicht so viel Sonnenstrahlung. Stattdessen erhöht sie die Rückstrahlung, die sogenannte Albedo. So heizen sich Oberflächen weniger auf. Darum sind zum Beispiel auch Häuser in Südeuropa oft weiß.

Bei Hitze kommt es regelmäßig zu Problemen mit der Deutschen Bahn.
Bei Hitze kommt es regelmäßig zu Problemen mit der Deutschen Bahn. © imago/Ralph Peters | imago stock&people

Nur: Der weiße Anstrich hat sich nicht bewährt. Die Infrastrukturexpertinnen und -experten der Bahn seien nach „sorgfältiger Auswertung“ zu dem Schluss gekommen, dass „der kühlende Effekt von frisch mit weißer Farbe lackierten Schienen durch das Befahren mit Schienenfahrzeugen sowie zusätzlich durch Flugrost und Verschmutzung bereits kurze Zeit später deutlich nachlässt und nach wenigen Monaten nicht mehr vorhanden ist“, so die Bahnsprecherin. Und weiter: „Der kühlende Effekt der weißen Schiene ist gemessen am Aufwand für das häufige Nachstreichen gering.“ Und nun?

Begrünung an der Strecke kann das Problem nicht lösen

Helfen Bäume an den Gleisen, die Schatten werfen? Auch das geht nicht. „Eine Begrünung, die ausreichend Schatten auf die Gleise wirft, würde deutlich zu nah an der Oberleitung stehen und somit ein Risiko von Kurzschlüssen und Bränden erzeugen.“ Und auch bei nicht elektrifizierten Strecken sei eine dichte Begrünung nicht vertretbar. Die Bahnsprecherin erklärt: „Sie könnte beispielsweise die Sicht der Triebfahrzeugführerinnen auf Signale einschränken.“ Darüber hinaus könnten die Bäume bei Sturm umstürzen, Äste abbrechen und für Störungen, also Verzögerungen, sorgen.

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Die Hitzethematik lässt sich nicht leicht lösen. Und das ist nur ein Klimaproblem, das der Deutschen Bahn zu schaffen macht. Das andere, zweite, heißt: Starkregen. Der könnte, so erklärt die Bahnsprecherin, „insbesondere in Gebieten mit stark versiegelter Oberfläche zu lokalen Gleisüberspülungen oder -unterspülungen führen, wenn die Entwässerungssysteme nicht genügend Wasser in der notwendigen Zeit abführen können.“

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Das deutsche Schienennetz hat die besten Zeiten hinter sich. Mitte der 50er-Jahre war es noch 14.000 Kilometer länger als heute. Wo Züge rollen und wo es einmal Bahnverbindungen gab – Jahr für Jahr von 1835 bis heute.

Auch künftig wird bei Unwettern wohl wenig nach Plan laufen

Die Entwässerungseinrichtungen der Deutschen Bahn seien „in der Regel so konzipiert, dass sie bis zu 50 Prozent des durch den Klimawandel verursachten, zusätzlichen Regens aufnehmen und ableiten können“. Es werde aber kontinuierlich geprüft, dies „noch weiter zu erhöhen“. Und: Die Bahn wird in den nächsten Jahren nach und nach 40 Strecken modernisieren, auch Anlagen und Bahnhöfe auf den neuesten Stand der Technik bringen. Damit sei dort dann, so die Sprecherin, „automatisch auch eine höhere Klimaresilienz gegeben“.

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Dennoch müssen sich Fahrgäste bei Unwettern darauf einstellen, dass wenig nach Plan läuft. Das zeigte sich zuletzt zu Pfingsten dieses Jahres. Dauerregen setzte das Saarland und Teile von Rheinland-Pfalz unter Wasser, später kam es dann in Bayern und Baden-Württemberg knüppeldick vom Himmel. Vielerorts ging nichts mehr. Herbstlaub, das auf Schienen fällt und Oberleitungen, die bei Frost vereisen können – das kommt seit eh und je auch noch hinzu.

Bleibt noch eine Frage: Wie steht es um die Klimaanlagen in Zügen, sind sie für schweißtreibende Hitzeextreme gerüstet? Es ist Problem Nummer drei. Reisende sollten „selbstverständlich“ auch bei hohen Temperaturen komfortabel mit dem Zug zu ihrem Ziel gelangen, erklärt die Bahnsprecherin. Die Deutsche Bahn kaufe neue Fahrzeuge, wolle bis 2030 rund 12 Milliarden Euro allein in neue Fernverkehrszüge investieren.

Und die Klimaanlagen in diesen Zügen seien „leistungsfähiger und erfüllen den Komfortanspruch bis zu einer Außentemperatur von plus 40 Grad Celsius und sind funktionsfähig bis 54 Grad Celsius.“ Im Vergleich zum Sommer 2023 seien heute rund 20 Prozent mehr ICE und Intercity mit modernster, leistungsfähigerer Klimaanlagentechnik unterwegs, gut 250 Fahrzeuge.