Berlin. Unpünktlich, unzuverlässig: Das Image der Bahn ist kräftig angeschlagen. Das sind aktuell die größten Baustellen des Konzerns.

Verspätungen und Zugausfälle zählen bei der Deutschen Bahn zum Alltag. Mit einer Generalsanierung der wichtigsten Strecken soll das marode Schienennetz „vom Sorgenkind zum Stabilitätsanker des Eisenbahnsystems werden“, kündigte Bahnchef Richard Lutz bei der Vorlage der Bilanz des Staatskonzerns an. Das sind die wichtigsten Herausforderungen und Baustellen des Konzerns:

Bahn-Baustelle 1: Pünktlichkeit

Streiks, Pannen, Extremwetterereignisse und das marode Schienennetz sind die Hauptursachen für die Verspätungen bei der Deutschen Bahn. Im ersten Halbjahr 2024 kamen nur noch 62,7 Prozent der Fernzüge fahrplangemäß ans Ziel, nach 69 Prozent im Vorjahr. Besser werden soll die Leistung durch die Generalsanierungen von 41 Hochleistungskorridoren, die dafür monatelang gesperrt werden, sagt Bahnchef Richard Lutz.

Den Auftakt macht die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Im kommenden Jahr geht es mit den Trassen zwischen Hamburg und Berlin sowie zwischen Emmerich und Oberhausen weiter. Danach sollen alle wichtigen Streckenabschnitte modernisiert werden. Bis 2030 soll die Pünktlichkeit im Fernverkehr wieder über 80 Prozent liegen, sagte der DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber dieser Zeitung.

Bahn-Baustelle 2: Finanzen

Die Halbjahresbilanz der Bahn erscheint auf den ersten Blick desaströs. 1,2 Milliarden Euro Miese weist das Konzernergebnis aus. Nur die Spedition Schenker liegt mit 520 Millionen Euro im Plus. Alle anderen Geschäftsfelder stecken in den roten Zahlen, der Fernverkehr mit 232 Millionen Euro, der Nahverkehr mit 66 Millionen Euro und der Güterverkehr mit 261 Millionen Euro. Den größten Verlust verzeichnet die Infrastruktursparte mit mehr als 700 Millionen Euro.

Auf den zweiten Blick sieht die Lage nicht ganz so schlecht aus. Denn ein großer Teil der roten Zahlen resultiert aus Vorleistungen der Bahn für den Bund, die erst im weiteren Jahresverlauf ausgeglichen werden. Zudem haben die Streiks der Gewerkschaft deutscher Lokführer (GDL) den Konzern 300 Millionen Euro gekostet. Für das Gesamtjahr 2024 erwartet der Vorstand ein positives operatives Ergebnis von rund einer Milliarde Euro.

Bahn-Baustelle 3: Schienennetz

Selbst der Bahnvorstand verschweigt nicht das Desaster. „Die Schieneninfrastruktur ist zu alt, zu störanfällig und zu voll“, sagt Bahnchef Lutz. Extremes Wetter und das marode Netz haben die Infrastruktur „an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht“, gesteht DB-Finanzvorstand Levin Holle. Hohe Investitionen sollen jetzt Abhilfe schaffen. 21 Milliarden Euro stecken Bahn und Bund in diesem Jahr in das Netz, elf Milliarden davon entfallen auf den Konzern. Die Bautätigkeit soll zudem reibungsloser organisiert werden. Das Bauen wird gebündelt und das Bauvolumen erhöht. So soll sich die Vielzahl der plötzlichen Fahrplanänderungen reduzieren.

Die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim ist als erste Strecke für fünf Monate zur Generalsanierung gesperrt worden.
Die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim ist als erste Strecke für fünf Monate zur Generalsanierung gesperrt worden. © Andreas Arnold/dpa | Unbekannt

Bahn-Baustelle 4: Angebot

Alle Bahnen müssen für die Schienennutzung Trassenpreise bezahlen, die ab 2025 drastisch um 16,2 Prozent erhöht werden. Darunter leiden alle Bahnunternehmen. Das könnte dazu führen, dass manche Verbindungen nicht mehr wirtschaftlich gefahren werden können. Von einer Ausdünnung des Fahrplans will Bahnchef Lutz dennoch nichts wissen. „Es gibt keine Pläne, das Angebot zu reduzieren“, versichert er. Auch bleibe es dabei, dass alle größeren Städte besser angebunden werden sollen. Der Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz, angesichts der Kapazitätsengpässe auf der Schiene Züge zu streichen, erteilt Lutz eine klare Absage: „Das ist generell keine gute Idee.“ Das Problem mit den Trassenpreisen erkennt die Politik an. Wahrscheinlich wird es eine Förderung für die Bahnunternehmen geben.

Bahn-Baustelle 5: Güterverkehr

Seit vielen Jahren fährt die Cargo-Sparte der Bahn (DB Cargo) riesige Verluste ein. Daran hat sich auch im ersten Halbjahr nichts geändert. Doch Lutz rechnet mit einer baldigen Genesung der Bahntochter. 80 Prozent der Verluste entfallen auf den Einzelwagenverkehr, der vom Bund gewünscht ist und gefördert werden soll. 2025 soll der Güterverkehr wieder schwarze Zahlen schreiben.

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Bahn-Baustelle 6: Kosten

Finanzchef Holle will in vielen Bereichen die Kosten senken. In den kommenden fünf Jahren werden dadurch rund 30.000 Stellen wegfallen, insbesondere durch die Digitalisierung der Verwaltung. Mit Entlassungen ist wohl dennoch nicht zu rechnen. Jährlich verlassen Tausende Mitarbeiter den Konzern, die Zahl entspreche der natürlichen Fluktuation von zwei Jahren. An anderen Stellen wird wiederum neues Personal benötigt.

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Bahn-Baustelle 7: Schulden

Auf dem Bahnkonzern lasten weit mehr als 30 Milliarden Euro Schulden. Durch den Verkauf der britischen Bahntochter Arriva ist die Summe um 1 Milliarde Euro gesunken. Zum Verkauf steht auch die Spedition Schenker, die einen zweistelligen Milliardenbetrag wert sein dürfte. Derzeit durchleuchten potenzielle Käufer die Bücher von Europas größter Spedition. Wie lange die Prüfungen dauern, ließ Holle offen. Mit dem Verkauf kann die Bahn zwar weitere Schulden tilgen, verliert damit aber auch ihre größte Gewinnquelle.

Bahn-Baustelle 8: Preise

Ob die Ticketpreise angesichts höherer Personalkosten durch die Tarifabschlüsse, Inflation und die hohen Sanierungskosten steigen, darüber schweigt sich der Konzernchef noch aus. „Das spielt heute noch keine Rolle. Das gucken wir uns in Ruhe an“, so Lutz: „Das werden wir wie jedes Jahr im Herbst verkünden – also Ende September/Anfang Oktober.“