Berlin. Immobilienfonds bereiten Mietern und Anlegern Sorgen. Wie funktionieren sie und was bedeutet die Krise für Kapitalanlage und Wohnung?

Offene Immobilienfonds waren jahrelang attraktive Kapitalanlagen auch für Privatleute. Nun wurde jedoch kürzlich der Wert der Anteile am offenen Immobilienfonds UniImmo Wohnen ZBI um fast 17 Prozent reduziert, von knapp 51 Euro auf gut 42 Euro. Den Fonds hatte unter anderem Union Investment aufgelegt, eine Tochter der Volks- und Raiffeisenbanken. Dem Fonds gehören Tausende Wohnungen. Und sein Wertverlust schlägt Wellen. Mieterinnen und Mieter im ganzen Land machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Wohnungen und Gewerberäume, falls diese einem Fonds gehören. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie geht es der Branche insgesamt?

Bei offenen Immobilienfonds handelt es sich um Gesellschaften, die teilweise Milliarden Euro auch von Kleinanlegern einsammeln. Privatleute können beispielsweise einige Tausend Euro investieren, um eine Rendite zu erwirtschaften. Die Anteile sind etwa bei Banken oder an der Börse erhältlich. Im Gegensatz dazu richten sich geschlossene Immobilienfonds gezielt an Großinvestoren, die damit in der Regel einzelne Bauvorhaben finanzieren.

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Die offenen Fonds investieren jedoch in zahlreiche Objekte gleichzeitig. Sie „müssen mindestens 51 Prozent des eingesammelten Kapitals in Immobilien anlegen, also in bebaute oder unbebaute Grundstücke“, erklärt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Gut die Hälfte des Kapitals der hierzulande angebotenen Fonds steckt in Gebäuden für Büros und Arztpraxen. Dann folgen Handel, Gastronomie und Hotels. Nur ein kleiner Teil des Geldes – fünf Prozent – fließt in Wohnimmobilien, zeigen die neuesten Zahlen des Bundesverbandes Investment (BVI).

Wie ist ihre ökonomische Situation?

Die Lage der offenen Immobilienfonds hängt stark von der hiesigen Bau- und Immobilienwirtschaft ab. Deren Situation war in den vergangenen Jahren schlecht. Mehrere nachteilige Phänomene kamen zusammen: So ließ die Corona-Krise den Bedarf an Büroraum zurückgehen, denn viele Beschäftigte arbeiteten ganz oder teilweise zu Hause. Die Arbeitsform des Homeoffice ist auch künftig nicht mehr wegzudenken, was Einfluss auf die Nachfrage nach Büroflächen haben dürfte. Zudem ist die Inflation der vergangenen Jahre mitverantwortlich für die wirtschaftliche Stagnation und höhere Zahl von Firmeninsolvenzen.

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So wurden auch deutlich weniger neue Gebäude errichtet. Parallel sanken die Bau- und Immobilienpreise. Diese Entwicklungen spiegeln sich in der Statistik der Immobilienfonds. Nachdem das in ihnen angelegte Kapital seit 2017 stark zugenommen hatte, stagnierte es von 2022 auf 2023 bei rund 131 Milliarden Euro (rund drei Prozent aller Fondsanlagen in Deutschland). Für 2024 rechnet die Analyse-Firma Scope „erstmals seit 17 Jahren mit Nettomittelabflüssen“.

Wie geht es mit den Fonds weiter?

„Zahlreiche Fonds“ würden „Objektverkäufe vorbereiten“, so Scope. Weil die Immobilienwerte wohl stärker zurückgehen, als Mieten und Kapitalzinsen wachsen, erwartet die Analyse-Firma in diesem Jahr „leicht negative Renditen“. Die Fonds verlieren also Geld. Wobei die Ausschüttungen an die Kapitalgeber zunächst weitergehen, weil die Gesellschaften über Reserven verfügen. Wie es in Zukunft aussieht, ist jedoch unklar. Manche Analysten sprechen von einer Stabilisierung, die sich aber von Region zu Region uneinheitlich vollziehe. Ob es sich um eine allgemeine Trendwende handelt, weiß man nicht.

Was bedeutet das für Anleger?

Gerade jetzt sollten Anleger mit dem Kauf von Fondsanteilen vorsichtig sein. Besonders dann, wenn man über wenig Kapital verfügt und die eingesetzten Mittel beispielsweise als Beitrag zur Altersvorsorge einplant. Zu offenen Immobilienfonds allgemein erklärt die Bafin: „Hauptrisiko ist ein möglicher Wertverlust: Es gibt keine Garantie dafür, wie die Wertentwicklung eines Fonds tatsächlich verläuft.“ Im Übrigen existieren für solche Fonds spezielle Verkaufsregeln. Der Verbraucher-Informationsdienst Finanztip nennt dieses Beispiel: „Einen im Februar 2023 gekauften offenen Immobilienfonds“ kann man „frühestens im Februar 2024 kündigen, um ihn dann zum Februar 2025 an die Fondsgesellschaft zurückzugeben“.

Offene Immobilienfonds sind nicht krisenfest. Sie sind keine sichere Geldanlage.
Offene Immobilienfonds sind nicht krisenfest. Sie sind keine sichere Geldanlage. © picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Diese Verzögerung mag dazu führen, dass der Verlust zunimmt. Wer direkt an der Börse mit den Anteilen handelt, ist zwar nicht an die Fristen gebunden, muss aber mit niedrigeren Verkaufspreisen rechnen. Timo Halbe von Finanztip rät deshalb Kleinanlegern, jetzt keine Anteile von offenen Immobilienfonds zu erwerben, sondern sicherere Investments zu wählen, etwa Festgeld oder Tagesgeld. „Vorsichtige Anleger“, die bereits Fondsanteile besitzen, sollen sich laut Finanztip überlegen, diese über die Börse zu verkaufen, um etwaige Verluste zu begrenzen.

Was bedeutet die Krise für Mieterinnen und Mieter?

„Mieterinnen und Mieter haben überall die gleichen Rechte, unabhängig von der Art des Eigentümers“, sagt Jutta Hartmann, die Sprecherin des Deutschen Mieterbundes. Was Mieterhöhungen oder Kündigungen betrifft, sind also diejenigen nicht schlechter gestellt, deren Wohnungen einem Fonds gehören. Wirtschaftliche Probleme einer solchen Gesellschaft sind kein Grund für eine Kündigung. Mieterhöhungen dürfen nur im Rahmen des Gesetzes stattfinden – wie in allen anderen Wohngebäuden auch.

In einer Hinsicht sind Mieterinnen und Mieter von Fonds sogar besser gestellt als bei persönlichen Eigentümern. „Genossenschaften, KGs, GmbHs, AGs und OHGs dürfen nicht wegen Eigenbedarfs kündigen“, weil sie als Firma keinen eigenen Wohnbedarf anmelden können, erklärt Hartmann. „Das gilt in der Regel auch für Fonds.“

Wo liegen die Nachteile bei Fonds-Bewohnern?

Trotzdem müssen Fonds-Mieter gerade in der augenblicklichen Lage mit Unannehmlichkeiten rechnen. Es komme „mitunter vor, dass die Gebäude nicht ausreichend gewartet werden, Reparaturarbeiten sich verzögern oder die Mieter keinen Ansprechpartner finden“, so Hartmann. Denn wirtschaftliche Probleme können dazu führen, dass die Eigentümer sich kaum noch um ihre Immobilien kümmern. Das gilt besonders für solche Fälle, in denen eine Wohnanlage verkauft werden soll. Gewerbemieter wie beispielsweise Arztpraxen sind potenziell stärker gefährdet als Wohnungsmieter, denn bei solchen Verträgen haben die Vermieter mehr Freiheiten etwa bei der Gestaltung der Miethöhe und der Kündigungsfrist.