Berlin/Düsseldorf. Aus deutschen Kinderzimmern sind sie kaum wegzudenken: Tonies. Doch die Konkurrenz kommt näher. Und das ist nicht das einzige Problem.
Mit Geld sei das ja gar nicht zu bezahlen, sagt Tobias Wann im Verlauf des Gesprächs. Wann ist seit Jahresbeginn Geschäftsführer der Düsseldorfer Firma Tonies, die mit ihren Hörspielboxen und den gleichnamigen Figuren eine völlig neue Produktkategorie erschaffen hat: Früher hatte man Kassetten und den entsprechenden Rekorder, heute die Tonies und den Abspielwürfel.
Eltern, sagt Wann, würden sich mitunter bei ihm persönlich dafür bedanken, dass sie wegen Tonies sonntags eine Stunde länger schlafen könnten. Weil Kinder nach dem Aufstehen zunächst direkt zu ihrer Hörspielbox gingen, sei Erwachsenen dann doch noch etwas Ruhe vergönnt. Warum das so ist? Der Chef hat eine Erklärung dafür: „Die einfache Bedienung eröffnet die Möglichkeit, dass Kinder schon ab frühstem Alter Geschichten oder Musik selbst abspielen können“, sagt er. Das sei der entscheidende Punkt.
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Von dem Produkt seiner Firma zu schwärmen, gehört zu den Aufgaben eines Geschäftsführers. Aber auch der Blick in deutsche Kinderzimmer lässt ähnliche Schlüsse zu. Angaben der Firma zufolge steht mittlerweile in jedem zweiten Haushalt mit Kindern zwischen drei und zehn Jahren eine solche Hörspielbox. Bis Ende März dieses Jahres hatte das vor gut elf Jahren gegründete Unternehmen weltweit sieben Millionen Boxen und rund 88 Millionen Figuren verkauft. In 100 Ländern stehen aktivierte Geräte.
Tonies haben nicht nur in Deutschland Konkurrenz bekommen
Das weiß das Unternehmen deshalb so genau, weil jede Box mit dem Internet verbunden ist und die Inhalte für die Figuren vor dem ersten Abspielen zunächst aus der Cloud herunterladen muss. Weil das Geschäft gut läuft, hat Tonies fast überall auf der Welt Konkurrenz bekommen. In Deutschland zum Beispiel gibt es Tigermedia. Die Firma bietet ebenfalls eine Box als Abspielgerät an, setzt anders als Tonies aber auf ein Streaming-Abo und nicht auf Einzelverkäufe.
Bei Tonies werden innerhalb der ersten viereinhalb Jahre durchschnittlich 20 Tonies je Box dazugekauft. Neu-Chef Wann ist sicher, das noch steigern zu können. Das Unternehmen will dafür unter anderem die Produktpalette erweitern. Ziel ist es, auch ältere Kinder für Box und Tonies zu begeistern. „Gerne wird die Toniebox schon zur Geburt verschenkt, die Hauptnutzung ist dann in etwa bis zum fünften Lebensjahr und nimmt danach ab“, sagt Wann. „Spätestens wenn das Smartphone in das Leben der Kinder tritt, wird die Toniebox weniger relevant.“
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Die Düsseldorfer haben in diesem Jahr bereits mit den sogenannten Clever-Tonies ein neues, stärker wissensorientiertes Produkt auf den Markt gebracht. Im Herbst sollen erste Hörbuch-Tonies veröffentlicht werden – zunächst in den USA. Dort sieht die Firma derzeit das größte Wachstumspotenzial. Deutsche Eltern sollen erste Audiobook-Figuren im Frühjahr 2025 kaufen können. Details zu Inhalten will Wann noch nicht verraten.
KI-Tonies könnten das Geschichtenerzählen revolutionieren
In den Fokus könnte für die seit Herbst 2021 an der Börse notierte Firma das Thema Künstliche Intelligenz (KI) rücken. Ein bereits im vergangenen Jahr gestartetes, aber mittlerweile wieder beendetes Pilotprojekt verlief durchaus vielversprechend. Eine Funktion, die es mithilfe des Chatbots ChatGPT ermöglicht, eigene Geschichten zu entwickeln und über die Audiobox vorlesen zu lassen, kam bei mehr als 3000 Eltern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien gut an. Unter anderem seien so mehr als 80.000 personalisierte Weihnachtsgeschichten entwickelt worden.
„Das Feedback war überwältigend gut, und ganz sicher hören wir hier auf gar keinen Fall auf, sondern entscheiden jetzt, wie wir das in ein funktionierendes Geschäft überführen“, so Wann. Denkbar sei ein Abo-Modell, genauso wie ein sogenanntes Freemium-Modell, bei dem erste erstellte Geschichten noch kostenlos seien, für weitere aber bezahlt werden müsse. „Ich wäre nicht überrascht, wenn eine solche KI-Lösung demnächst für alle auf den Markt kommen würde.“
Tobias Wann soll Geschäftszahlen aus dem Minus herausholen
Der Spielwarenhändler Tonies war 2013 von Patric Faßbender und Marcus Stahl gegründet worden. Es geht die Legende um, dass einer der Gründer irgendwann so genervt gewesen ist von den herumliegenden und zerkratzten CDs seiner Tochter, dass einfach eine andere Lösung hermusste. Tonies samt Box und Figuren entstanden. Drei Jahre später stand die Markteinführung – damals noch mit kleinen Stückzahlen, die immer wieder schnell ausverkauft waren.
Mittlerweile lässt Tonies in Osteuropa, Tunesien und China herstellen, peilt für das laufende Geschäftsjahr fast eine halbe Milliarde Umsatz an. Prognosen für den ersten Nettogewinn trifft man nicht. Im vorherigen Geschäftsjahr stand unterm Strich noch ein Minus von fast zwölf Millionen Euro.
Tobias Wann ist geholt worden, um das Geschäft schneller wachsen zu lassen. Dass Wann das kann, hat er schon gezeigt. Mehrere Firmen, unter anderem aus den Bereichen IT-Infrastruktur, Versicherungen und Reise, half er schon auf die geschäftlichen Sprünge. Tonies, erklärt Wann, sei zwar ein grundsolides, intaktes Wachstumsunternehmen, aber an einigen Stellen seien Prozesse nicht mitgewachsen und auch bei Entscheidungsprozessen könne man mitunter noch schneller werden.
Wie sich Inhalte unterscheiden: In Großbritannien „geht nichts ohne den Grüffelo“
Unterhaltungskonzerne wie Disney, Warner oder Universal stellen Tonies Lizenzen für die Gestaltung der Figuren und Inhalte zur Verfügung. Das Geschäft soll weiter ausgebaut werden – natürlich länderspezifisch. „In den USA kennt zum Beispiel niemand den Räuber Hotzenplotz, dafür sind dort die Inhalte von Dr. Seuss gefragt“, erzählt Wann. „In Großbritannien wiederum geht nichts ohne den Grüffelo.“ Aber auch das Geschäft mit den für Tonies lukrativeren eigenen Inhalten soll wachsen.
Verkaufsschlager seien vor allem die Einschlaffiguren. Ein 40-köpfiges Contentteam kümmert sich um die Inhalte. Insgesamt hat der Konzern weltweit 500 Beschäftigte. Beim deutschen Kinderschutzbund kommt Tonies größtenteils gut weg. Hörmedien wie die Toniebox seien eine „tolle Möglichkeit, in Geschichten zu versinken, auch wenn Kinder noch nicht lesen können“, sagt Hannah Lichtenthäler, Fachreferentin für Medien und Digitales. Die Toniebox sollte aber ein Spielzeug unter vielen sein.
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„Ein breites, abwechslungsreiches und vielfältiges Freizeitangebot ist für die Entwicklung von Kindern ausschlaggebend. Dazu gehört auch die Nutzung von Medien“, so die Expertin. Das Unternehmen sieht der Kinderschutzbund auch in der Verantwortung, um Datenschutz zu gewährleisten. „Bislang bleibt unklar, welche Daten zu Nutzungsdauer und Vorlieben der kleinen Hörerinnen und Hörer gespeichert und verarbeitet werden, ohne dass sie ein informiertes Einverständnis geben konnten“, so Lichtenthäler.
Vom Unternehmen heißt es, Tonies könne zwar die Nutzungsdauer und die gehörten Tonies auswerten, aber ohne Bezug zum jeweiligen Account. Auch alle Kinder- und Jugendmedienschutzregeln sowie alle Regeln zum Schutz personenbezogener Daten würden eingehalten. Darüber hinaus lasse sich die Toniebox auch in den Offline-Modus versetzen. „Dann wird gar keine Verbindung zu unseren Servern aufgebaut und keine Informationen über die Interaktion mit der Toniebox erfasst“, so ein Sprecher.
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