Berlin. Forscher halten die gesetzliche Altersvorsorge für „Umverteilung von unten nach oben“. Eine bittere Bilanz für Millionen Versicherte.
Geringverdiener werden einer neuen Untersuchung zufolge bei der gesetzlichen Altersvorsorge benachteiligt. Demnach beziehen Menschen mit hohen Erwerbseinkommen länger Rente als Menschen mit geringen Erwerbseinkommen. Dadurch werde im Rentensystem von Versicherten mit geringen Einkommen zu Versicherten mit hohen Einkommen umverteilt, heißt es in einem noch unveröffentlichten Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der unserer Redaktion vorliegt.
Besonders stark sei dieser Zusammenhang bei Männern, da die Unterschiede in den Erwerbseinkommen höher seien und Einkommen stark mit Bildung zusammenhingen, so die Analyse. Männer, die in ihrem Beruf wenig verdienen, sterben demnach statistisch gesehen früher als Männer mit einem höheren individuellen Verdienst. Laut der Analyse liege das Risiko, zwischen dem 55. und 76. Lebensjahr zu sterben, für Männer mit niedrigem Einkommen mit 21 Prozent doppelt so hoch wie bei Männern mit dem höchsten Einkommen (elf Prozent).
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Bei Frauen lasse sich kaum ein Unterschied nach der Höhe des individuellen Einkommens erkennen. Wesentlicher Grund dafür: Frauen mit Kindern unterbrechen häufiger ihre Karriere – und sind zum Beispiel auch wegen der Kinderbetreuung im Durchschnitt weniger Stunden berufstätig. Bei ihnen hänge die Sterbewahrscheinlichkeit mit dem Haushaltseinkommen und eben nicht mit dem individuellen Verdienst zusammen, so die Studie. „Die Sterbewahrscheinlichkeit für Frauen mit den höchsten Haushaltseinkommen ist knapp vier Prozentpunkte geringer als für Frauen mit den geringsten Haushaltseinkommen.“
Rente: Experte sieht Ungerechtigkeit hinsichtlich der Lebenserwartung
Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass sich höhere Einkommen positiv mit Blick auf ein längeres Leben auswirken. In Deutschland steigt die Lebenserwartung seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Derzeit liegt die Lebenserwartung bei Geburt bei 83,2 Jahren für Frauen und bei 78,3 Jahren für Männer.
Laut DIW-Rentenexperte Johannes Geyer untermauere die Untersuchung Ungerechtigkeiten bei der Rente. Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung führe dazu, dass Menschen mit niedrigen Einkommen von ihrem Einkommen relativ viel in die Rente einzahlten, aber wenig herausbekämen. Bei den Reichen sei es umgekehrt.
„Das ist ein wichtiger Punkt, denn wenn die Lebenserwartung mit dem Einkommen korreliert, dann bedeutet das, dass wir hier eine Umverteilung haben, die am Einkommen ansetzt“, sagte Geyer weiter. „Dann stellt sich natürlich die Frage, ob es gewünscht ist, dass wir bei der Rente sozusagen eine Umverteilung von unten nach oben haben.“
Lebenserwartung und Einkommen hängen zusammen – was folgt daraus?
Die Ergebnisse der Untersuchung könnten dazu dienen, die Diskussion über die Einhaltung des Äquivalenzprinzips besser zu fundieren, so das DIW. Grundsätzlich gilt für die gesetzliche Rente zwar: Jeder Euro, der eingezahlt wird, erzielt den gleichen Anspruch an monatlichen Rentenzahlungen im Alter.
Ausgehebelt wird der Gleichbehandlungsgrundsatz aber dadurch, dass eben Geringverdiener statistisch gesehen eine kürzere Lebenserwartung haben – und dadurch auch ihre Rente für einen deutlich kürzeren Zeitraum beziehen als Besserverdienende. Rentenexperten diskutieren deswegen schon länger über mögliche Umverteilungen innerhalb des Rentensystems.
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