Berlin. Zwangsversteigerungen sind ein eher ungewöhnlicher Weg, um Eigentum zu erwerben. Ein Experte erklärt, worauf Bieter achten sollten.

Immerhin 12.332 Zwangsversteigerungen zählte das Portal Argetra im Jahr 2023, ein Anstieg um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für Kaufinteressierte können diese Versteigerungen eine gute Gelegenheit sein, um verhältnismäßig günstig an eine Immobilie zu kommen. Doch es gilt dabei einiges zu beachten. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Wann kommt es zu einer Zwangsversteigerung?

Rechtsanwalt Klaus Hessel, der auf Immobilienrecht und Zwangsversteigerungen spezialisiert ist, erklärt zwei Situationen, in denen es zu Zwangsversteigerungen kommen kann. Meist finden Gläubiger heraus, dass ihr Schuldner über eine Immobilie verfügt, und erzwingen dann deren Versteigerung. In selteneren Fällen gibt es einen gemeinschaftlichen Besitz, der aufgeteilt werden soll. Das kann etwa bei Eheleuten der Fall sein, die gemeinsam im Grundbuch stehen und sich scheiden lassen. Weil sich ein Grundstück nicht teilen lässt, muss es zu Geld gemacht werden – dann kann es zu einer sogenannten Teilungsversteigerung kommen.

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In diesen Fällen sollten Interessenten besonders genau hinsehen. Laut Hessel kann es passieren, dass noch eine Grundschuld auf dem Objekt liegt, die auf die Person übergeht, die den Zuschlag bekommt. Bei einer Zwangsversteigerung ist das laut Hessel in der Regel nicht der Fall. Üblicherweise wird zudem zu Beginn der Versteigerung auf eine mögliche Grundschuld hingewiesen.

Wann und wo finden Zwangsversteigerungen statt?

Abgehalten werden Zwangsversteigerungen immer im jeweiligen Amtsgericht. Die genauen Termine und Versteigerungsräume sind online unter zvg-portal.de (in einigen Bundesländern auch zvg.com) einsehbar. Anstehende Zwangsversteigerungen können dabei nicht nur nach der räumlichen Nähe gefiltert werden, sondern auch nach Art der Immobilie – also etwa nach Doppelhaushälfte, Baugrundstück oder Eigentumswohnung.

Wie bereitet man sich auf eine Zwangsversteigerung vor?

Wer sich für eine zu versteigernde Immobilie interessiert, sollte sich gründlich auf den Versteigerungstermin vorbereiten. Dafür gilt es zunächst, alle Informationen über die Immobilie zusammenzutragen. Direkt auf dem Portal findet sich neben den üblichen Informationen in Form eines Exposés stets auch ein Gutachten. In diesem wird aufgeführt, auf welcher Grundlage der Verkehrswert der Immobilie festgelegt wird, also welche Vor- und Nachteile durch Gebäude oder Lage zu berücksichtigen sind.

Der Verkehrswert meint den Preis, den die Immobilie nach Einschätzung des Gutachters im freien Verkauf erzielen würde. Auch hier warnt Hessel vor möglichen Fallstricken: Denn die bisherigen Eigentümer sind nicht verpflichtet, den Gutachter auch reinzulassen. Gegebenenfalls kann daher der innere Zustand des Objekts gar nicht berücksichtigt werden. Im Gutachten finden sich ebenfalls Informationen über die Nutzung des Objekts – also beispielsweise, ob es vermietet ist. Hessel mahnt in diesem Fall zur Vorsicht: Zwar gibt es gegenüber den Mietern ein Sonderkündigungsrecht, dennoch greifen weiterhin bestimmte Schutzvorschriften.

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Da die Gutachten meist mehrere Monate zurückliegen, kann es auch nicht schaden, sich selbst ein Bild vom Objekt zu machen. Ein Anspruch auf Besichtigung besteht allerdings nicht und kommt nur zustande, wenn der bisherige Eigentümer einverstanden ist. Besteht das Interesse an der Immobilie auch nach gründlicher Betrachtung aller Informationen, gilt es, sich auf die Versteigerung vorzubereiten. Interessenten sollten wissen, welchen Immobilienpreis sie zahlen wollen und auch können, gegebenenfalls in Absprache mit der Bank über einen möglichen Kredit. Liegt eine Grundschuld auf dem Objekt, sollte diese dabei unbedingt mitbedacht werden.

Wer bei einer Zwangsversteigerung den Zuschlag erhalten will, muss einiges beachten. Alle Informationen im Text (Symbolbild).
Wer bei einer Zwangsversteigerung den Zuschlag erhalten will, muss einiges beachten. Alle Informationen im Text (Symbolbild). © Shutterstock / Burdun Iliya | Burdun Iliya

Um beim Termin tatsächlich mitbieten zu dürfen, braucht es einen gültigen Reisepass oder Personalausweis. Soll im Namen einer anderen Person geboten werden, wird eine notariell beglaubigte Bietvollmacht benötigt. Ohne eines dieser Dokumente können Sie kein Gebot abgeben. Eine Voranmeldung ist nicht nötig.

Wie läuft eine Zwangsversteigerung ab?

Von Personen, die ein Gebot abgeben wollen, verlangt das zuständige Amtsgericht in fast allen Fällen eine Sicherheitsleistung in Höhe von zehn Prozent des Verkehrswertes. Diese kann per Bankbürgschaft oder Bankscheck gezahlt werden, dieser darf allerdings nicht älter als drei Tage sein. Auch eine Überweisung ist möglich, sie muss allerdings im Vorhinein erfolgen. Hessel rät dazu, die Überweisung frühzeitig vorzunehmen, denn nur wenn die Rechtspfleger bereits von der zuständigen Stelle über den Eingang des Geldes informiert wurden, kann mitgeboten werden.

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Die tatsächliche Versteigerung nimmt mindestens eine halbe Stunde in Anspruch. Nachdem die wichtigsten Informationen über die Immobilie noch einmal dargelegt werden, können Interessierte sich gegenseitig überbieten. Gibt es irgendwann keine neuen Angebote, endet die Versteigerung nach Ablauf der halben Stunde. Wird allerdings weiterhin geboten, endet die Versteigerung erst dann, wenn das höchste Angebot nicht mehr übertroffen wird. Der oder die Höchstbietende erhält den Zuschlag.

Wie viel kann bei einer Zwangsversteigerung tatsächlich gespart werden?

Wie günstig die Immobilie am Ende wirklich wird, hängt von der Anzahl der Bieter und deren Bereitschaft, hoch zu bieten, ab. Grundsätzlich sind aber zwei Regeln zu berücksichtigen: die 5/10-Regel und die 7/10-Regel. Erstere besagt, dass das Amtsgericht den Zuschlag verweigern muss, wenn nicht mindestens 50 Prozent des Verkehrswertes geboten wurden. Auch wenn weniger als 70 Prozent geboten werden, kann der Zuschlag verweigert werden, das muss allerdings durch einen Gläubiger beantragt werden.

Findet eine der beiden Regelungen Anwendung, gelten diese beim nächsten Versteigerungstermin aber nicht mehr. Nach den Erfahrungen von Hessel kommt es aber in seltensten Fällen dazu, dass diese Regeln tatsächlich in Anspruch genommen werden. Sollte sich tatsächlich abzeichnen, dass das Höchstgebot unter 70 Prozent des Verkehrswertes bleibt, ließe sich eine entsprechende Erhöhung noch während der Versteigerung absprechen, um die Anwendung der Regel zu vermeiden.

Was sind die versteckten Kosten einer Zwangsversteigerung?

Auch bei den zusätzlichen Kosten kann man bei einer Zwangsversteigerung sparen, schließlich muss kein Notar und kein Makler bezahlt werden. Dennoch müssen aber Grunderwerbsteuer und die Gebühren für den Eintrag ins Grundbuch entrichtet werden. Außerdem verlangt auch das Amtsgericht eine sogenannte Zuschlagsgebühr. Auf das Gebot entfallen zudem vier Prozent Jahreszinsen.

Wie geht es nach dem Zuschlag weiter?

Wer den Zuschlag erhält, hat bis zum Verteilungstermin, der laut Hessel meist sechs bis acht Wochen nach der Versteigerung anberaumt wird, Zeit, die vollständigen Kosten zu zahlen. Als offizieller Eigentümer gilt man allerdings schon im Moment des Zuschlags, entsprechend fallen einem sämtliche Rechte und Pflichten zu. Auch darüber sollte man sich laut Hessel bereits im Vorhinein Gedanken machen, etwa wegen des Versicherungsschutzes.

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Nach Hessels Erfahrung kann es aber auch nach dem Zuschlag noch zu Problemen kommen, insbesondere wenn der bisherige Eigentümer einen Anwalt eingeschaltet hat. Wenn dieser Zuschlagsbeschwerde wegen möglicher Verfahrensfehler einreicht, kann es zu erheblichen Verzögerungen bis hin zur Aufhebung des Zuschlags kommen.

Auch wenn das Objekt noch vom Vorbesitzer bewohnt wird und dieser sich weigert auszuziehen, kann es zu Problemen kommen. Der Zuschlagsbeschluss gilt auch als Räumungstitel, mit dem ein Gerichtsvollzieher beauftragt werden kann. Kommt es allerdings tatsächlich zu einer Räumung, bleibt der neue Eigentümer häufig auf den Kosten sitzen. Denn der Vorbesitzer ist oft pleite.

Für wen lohnt sich eine Zwangsversteigerung zum Immobilienerwerb?

Grundsätzlich sind Zwangsversteigerungen nach Hessels Einschätzung aktuell wieder attraktiver als vor der Corona-Pandemie, da die Zuschläge meist unter dem Verkehrswert liegen. Auch die zusätzlichen Kosten wie die Zuschlagsgebühr liegen laut Hessel weit unter dem, was sonst für Makler und Notar gezahlt werden muss.

Es gibt aber auch Nachteile. So kann nicht geplant werden, ob man den Zuschlag tatsächlich erhält. Auch Probleme mit dem Voreigentümer können für Verzögerungen sorgen. Wenn keine Innenbesichtigung möglich war, besteht ein gewisses Risiko über den tatsächlichen Zustand des Objekts. Wer aber zeitlich flexibel ist und auch den nötigen Eigenaufwand leisten will, kann per Zwangsversteigerung verhältnismäßig günstig zu einer Immobilie kommen.

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