Düsseldorf/Essen. Deichmann will das Geschäft mit Sportmarken ausweiten – auch mit neuen Namen. Für die Schuhpreise sieht der Essener Unternehmer eine Obergrenze.
Europas größter Schuheinzelhändler Deichmann weitet das Geschäft mit Sportmarken aus. Schon jetzt gehöre sein Unternehmen „zu den weltweit großen Kunden“ von Nike, Adidas, Puma und Asics, sagte Firmenchef Heinrich Deichmann vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf. „Gerade das Sportmarken-Geschäft hat sich für uns exzellent entwickelt.“ Auch der aufstrebende Sportschuh-Hersteller New Balance beliefere Deichmann neuerdings. Vor einiger Zeit hat der Essener Unternehmer eine Lizenz der Marke Bench gekauft. Die Europa-Lizenz von Fila befindet sich ebenfalls in den Händen von Deichmann.
„Wir haben das Geschäft mit den Sportmarken enorm ausgebaut“, berichtet Heinrich Deichmann. Auch in einem neuen Filialkonzept seines Unternehmens würden die Sportabteilungen aufgewertet – als „Shop im Shop“ mit großen Flächen für Sportmarken-Produkte.
Die Übernahme traditionsreicher Marken gehört schon seit Jahren zur Strategie des deutschen Marktführers unter den Schuheinzelhändlern. So hat das Essener Familienunternehmen bereits vor geraumer Zeit die Kinderschuh-Marke Elefanten erworben. Auch eine Lizenz für Schuhe der Marke Esprit hat Deichmann gekauft. „Wir nutzen die Marke für uns selbst und können eine Esprit-Kollektion entwickeln“, erklärt Heinrich Deichmann. „Hier erzielen wir höhere Preise für entsprechend gute Qualität, und das hilft uns natürlich.“
So wie Aldi in den vergangenen Jahren verstärkt Markenartikel in seine Regale aufnahm, ist auch der Schuhhändler dabei, sein umfangreiches Eigenmarkenangebot durch eine größere Auswahl an Markenschuhen abzurunden.
Keine Spur von Kaufzurückhaltung bei Deichmann
Die durch die Inflation ausgelöste Zurückhaltung vieler Menschen beim Bekleidungskauf kann Deichmann bisher nichts anhaben. Sein Unternehmen, das auf bezahlbare Schuhe setze, profitiere von einer gestiegenen Sensibilität für das Preis-Leistungs-Verhältnis. „Gerade im letzten Jahr sind die Umsätze erfreulich gewachsen“, berichtet Heinrich Deichmann.
Das Familienunternehmen erzielte im Jahr 2022 erstmals einen Bruttoumsatz von mehr als acht Milliarden Euro und übertraf damit das Niveau des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 um 23 Prozent. Zum Gewinn macht das Unternehmen, das sich komplett in Familienbesitz befindet, traditionell keine Angaben. Deichmann sagt lediglich, der Gewinn sei „zufriedenstellend“. Sein Unternehmen sei bislang „gut durch die Krisenzeiten gekommen“. Insolvenzen, die es bei Schuheinzelhändlern in Deutschland gegeben hat, hätten vor allem Anbieter im „mittleren Preisbereich“ betroffen.
„Schuhe für 120 Euro sehe ich erst einmal nicht bei uns“
Bei den Schuhpreisen gebe es für das Angebot von Deichmann Grenzen. „Schuhe für 120 Euro sehe ich erst einmal nicht bei uns“, sagt der Firmenchef. Aufmerksam verfolge sein Unternehmen, welche Trends sich durchsetzen. Dies spiele eine Rolle in der Zusammenarbeit von Deichmann mit Lieferanten.
„Wir wissen frühzeitig, welche Farben die Textilmode auf die Fläche bringt und können dazu auch die Schuhmode anpassen.“ Trend-Scouts von Deichmann hielten sich „in allen Mode-Metropolen der Welt auf“. Aber Deichmann müsse „nicht jede Saison etwas komplett Neues darstellen“, sondern folge eher den größeren Trends. „Wir sind ja nicht Prada oder Gucci“, sagt Deichmann.
Deichmann erwägt Übernahme von freiwerdenden Galeria-Flächen
Deichmann erwägt auch, freiwerdende Verkaufsflächen der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof zu übernehmen. „Das können wir uns im Prinzip selbstverständlich vorstellen. Es muss dann die Lage passen. Es muss die Fläche passen“, sagt Heinrich Deichmann. „Da kommt es auf die Details an.“ Deichmann sei in Deutschland zwar bereits gut vertreten, aber denkbar sei es, dass sein Unternehmen an Standorte gehe, an denen derzeit noch ein Warenhaus betrieben werde.
„Der stationäre Einzelhandel ist nicht tot. Jeder, der das behauptet, versteht nichts von der Materie“, sagt Deichmann. „Menschen haben Interesse daran, auch im Laden shoppen zu gehen“ Der Mensch sei „ein
soziales Wesen“ und wolle „nicht nur am Bildschirm einkaufen“. Mancherorts gehe es darum, „Städte wiederbeleben“. Eine Mischung aus Einzelhandel, Gastronomie, Kulturangeboten und Wohnungen könne dabei ein Weg sein, so Deichmann. „Reine Ladenstraßen reichen vielleicht nicht mehr.“
Mehr als 48.000 Menschen beschäftigt die Firmengruppe Deichmann mittlerweile weltweit. Über 4500 Filialen und 41 Online-Shops in 31 Ländern gehören dazu. Rund 178 Millionen Paar Schuhe hat Deichmann nach eigenen Angaben in den Filialen und über Onlineshops im vergangenen Jahr verkauft, davon etwa 69 Millionen Paar Schuhe in Deutschland.
Deichmann, MyShoes, Snipes – Firmengruppe mit vielen Marken
Zur Essener Unternehmensgruppe gehören die Schuhhandelsketten MyShoes, in der Schweiz Dosenbach, Ochsner Shoes und Ochsner Sport, vanHaren in den Niederlanden und Belgien, in den USA Rack Room Shoes sowie die Snipes-Gruppe mit Filialen und Onlineshops in Europa und in den Vereinigten Staaten.
Auch in Deutschland habe seine Unternehmensgruppe im vergangenen Jahr zulegen können, berichtet Deichmann. Der Umsatz lag demnach bei rund 2,5 Milliarden Euro brutto – im Vergleich zu 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2019. Rund 1400 Filialen betreibt Deichmann in Deutschland. Etwa 16.400 Beschäftigte gehören bundesweit zum Unternehmen Deichmann, darunter 2800 Auszubildende. Deichmann habe „Corona-bedingt keine Mitarbeiter entlassen und keine Filiale geschlossen“, so der Firmenchef.
Im Jahr 2023 will Deichmann so viel investieren wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte. Die geplanten Ausgaben für die gesamte Unternehmensgruppe sollen bei rund 500 Millionen Euro liegen – etwa die Hälfte davon sei für Deutschland bestimmt. Die Investitionen fließen laut Deichmann unter anderem in die Modernisierung der Filialen, die Eröffnung neuer Läden und die internationale Expansion. Geld will Deichmann auch in die Digitalisierung und die Logistik stecken. Die Investitionen wolle sein Unternehmen aus eigener Kraft, ohne Unterstützung von Banken, stemmen, hebt der Firmenchef hervor.
Rund 200 neue Geschäfte plant die Firmengruppe Deichmann weltweit
Weltweit will die Firmengruppe Deichmann rund 200 neue Geschäfte eröffnen. „Wir glauben weiter fest an das stationäre Geschäft“, sagt der Unternehmenschef. Ein besonders starkes Wachstum sei beispielsweise in Italien geplant, wo etwa 30 neue Deichmann-Läden entstehen sollen. In Deutschland seien gruppenweit im Jahr 2023 rund 30 neue Filialen geplant. 150 Filialen sollen modernisiert werden.
Große Pläne hat Deichmann am Unternehmenssitz in Essen. Der Firmencampus an der Aktienstraße im Stadtteil Schönebeck werde derzeit mit einem Neubau erweitert, die bestehenden Gebäude würden „auf den neuesten Stand gebracht“. Das Herzstück des Deichmann-Geländes solle künftig ein fünfgeschossiges Atriumgebäude werden. Sein Unternehmen gebe damit ein „Bekenntnis zum Standort Essen ab“, sagt Heinrich Deichmann. Im übernächsten Jahr sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Der Stammsitz von Deichmann befindet sich in der Nähe der Schuhmacher-Werkstatt, die 1913 – also vor 110 Jahren – die Keimzelle des Unternehmens war. Heute sind in der Hauptverwaltung rund 1000 Mitarbeitende tätig.