Berlin. Nicht der notleidende Milchbauer profitiert in erster Linie von Finanzhilfen aus Brüssel, sondern Massentierbetriebe und Lebensmittelriesen. Sogar der Energiekonzern RWE, aber auch Brillen-Hersteller Fielmann und Sportwagenerbe Porsche schöpften hohe Summen aus den Fördertöpfen.
Zu den Massenbetrieben gehören der Fleischkonzern Tönnies, ehemalige DDR-Produktionsgenossenschaften und Lebensmittel-Multis wie der Molkereikonzern Campina und der Schokoladenhersteller Storck. Dass die Großen vorrangig profitieren, ist die wichtigste Erkenntnis aus der am Dienstag erstmals veröffentlichten Liste der deutschen EU-Subventionsempfänger in der Landwirtschaft.
Mit rund 34 Millionen Euro war die Südzucker AG aus Mannheim im vergangenen Jahr Spitzenreiter. Das Land Schleswig-Holstein kam mit zehn Millionen Euro auf Platz zwei. Drittgrößter Nutznießer von EU-Geldern war die „Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft in Bonn” mit rund sechs Millionen Euro. Mehr als eine halbe Million Euro flossen für die Rekultivierung der Braunkohle-Tagebaue im Vorjahr aus Brüsseler Agrartöpfen an die Tochterfirma RWE Power.
Bayern weigert sich hartnäckig
Nach langem juristischen Tauziehen hat die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Daten im Internet auf der Seite www.agrar-fischerei-zahlungen.de aufgeschlüsselt. Zu sehen ist, wie sich die Direktzahlungen an deutsche Empfänger in Höhe von rund 5,5 Milliarden Euro verteilen. Detailinfos fehlen allerdings.
Allein Bayern weigert sich bislang hartnäckig, die Daten herauszugeben. Die Brüsseler EU-Kommission kündigte gestern ein Verfahren gegen den Freistaat an. „Die zieren sich und verschleppen das”, kritisierte der Agrar-Fachmann von Greenpeace, Martin Hofsteller, im Gespräch mit dieser Zeitung das Verhalten.
Hintergrund: Die EU gibt rund 40 Prozent ihres gesamten Haushalts für den Agrarsektor aus. Der größte Ausgabenposten sind mit über 30 Milliarden Euro die sogenannten Direktbeihilfen für rund sieben Millionen landwirtschaftliche Betriebe in der EU. Der Deutsche Bauernverband erkennt in der Offenlegung einen „schwerwiegenden Eingriff” in das Grundrecht auf Datenschutz, weil die Daten weltweit einsehbar seien.
Fielmann und Porsche sind auch dabei
Juristisch ist die Sache strittig. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden untersagte dem Land Hessen im Frühjahr per Eilentscheid, die Daten zu veröffentlichen. Das entsprechende Gericht in NRW entschied gegen die Bauern, auch der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof sah keine Bedenken. Wie BLE-Mitarbeiter inoffiziell bestätigten, ist die Handhabung der Seite „für den Laien mehr als kompliziert”. Es empfiehlt sich, in der Suchmaske mit Sternchen zu arbeiten, also etwa den Namen Müller unter „*Müller*” zu recherchieren.
Wer sich dennoch auf die Suche nach Empfängern von Finanzhilfen aus EU-Kassen macht, stößt auf unerwartete „Treffer”. So gehört der Mitbegründer des Finanzdienstleisters MLP, Bernd Termühlen, der Ländereien an der Ostsee besitzt, mit 250 000 Euro ebenso zu den üppig Begünstigten wie der bekannte Brillen-Hersteller Günther Fielmann, der zuletzt knapp eine halbe Million Euro bekam. Wofür genau, das erschließt sich so wenig aus den Internet-Auskünften wie beim Sportwagenerben Wolfgang Porsche (2500 Euro), dem SPD-Ortsverein Rheinkamp in Moers (114,83 Euro) oder einem gewissen Albert von Thurn und Taxis, der im Jahr 2007 mit rund 10 000 Euro bedacht worden war.