Essen. Rückendeckung von der Großaktionärin: Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather lobt Thyssenkrupp-Lenkerin Martina Merz für eine „mutige Entscheidung“.
Die Krupp-Stiftung stärkt Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz den Rücken. „Als Aktionärin eines Industrieunternehmens, das massiv unter den Folgen des Ukraine-Krieges leidet, sind auch wir als Stiftung betroffen und machen uns Sorgen um die Zukunft“, sagte Stiftungschefin Ursula Gather laut vorab veröffentlichtem Redetext bei der Verleihung des Krupp-Förderpreises in der Essener Villa Hügel. „Gleichzeitig sehen wir die großen Anstrengungen der handelnden Personen“, fügte Gather hinzu. Zu nennen sei beispielsweise „die mutige Entscheidung“ von Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz, „gerade jetzt einen ersten Direktreduktionsofen auf den Weg zu bringen – für grünen Stahl und damit für eine echte Zukunftschance“. Namentlich erwähnte Stiftungschefin Gather auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Sie lobte, dass Wüst mit seiner Landesregierung „dieses Unterfangen“ auch finanziell unterstütze „und damit eine grüne Transformation“ ermögliche.
Mitte September hatte die NRW-Landesregierung verkündet, den Umbau von Thyssenkrupp Steel mindestens mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag zu unterstützen. Um im Jahr 2026 mit der Produktion von CO2-armem Stahl beginnen zu können, will Deutschlands größter Stahlkonzern eine rund
150 Meter hohe Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) in Duisburg bauen – als Nachfolgetechnologie für die bestehenden Hochöfen. Damit ist Unternehmensangaben zufolge eine Investition von mehr als zwei Milliarden Euro verbunden. Wie sich die Übernahme der Kosten verteilen soll, ist noch unklar. Thyssenkrupp hat einen – noch nicht bezifferten – Eigenanteil zugesichert. Ministerpräsident Wüst hatte erklärt, er rechne auch mit Unterstützung des Bundes.
„All das erschüttert unsere Welt“
Krupp-Stiftungschefin Gather ließ bei der traditionsreichen Veranstaltung in der Villa Hügel durchblicken, dass die Lage angespannt ist. „Auch wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der Vieles bedroht ist: zunächst durch die Pandemie, nun durch einen schrecklichen Krieg, eine Energiekrise – all das erschüttert unsere Welt“, sagte sie. „Auch wir als Stiftung stehen zu unserer Verantwortung, diese Krise durchaus als Chance zu sehen.“ In einer Woche – am 17. November – will Thyssenkrupp-Chefin Merz in der Essener Konzernzentrale die Bilanz für das Geschäftsjahr 2021/22 vorstellen und einen Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr 2022/23 geben.
2023 wird für die Krupp-Stiftung ein besonderes Jahr, denn es gibt ein Jubiläum vor der eigenen Haustür. „Das gesamte Areal, liebevoll ,Hügel‘ genannt, wird nächstes Jahr 150 Jahre alt“, erklärte Ursula Gather. Im Jahr 1873 hat der Stahl-Unternehmer Alfred Krupp die Villa Hügel „nach seinen ganz eigenen Vorstellungen bauen“ lassen, wie es die Stiftungschefin formuliert.
„Kaiserinnen, Kaiser und Könige gingen ein und aus, bewegte Geschichte spiegelt sich hier, Kinder wuchsen auf, Feste wurden gefeiert. Und auch dunkle Zeiten hat die Villa Hügel erlebt: Weltkriege, die Firma als Rüstungsproduzent, Beschäftigung von Zwangsarbeitern und schließlich die Verhaftung und Verurteilung von Alfried Krupp als Kriegsverbrecher“, so Gather. „All das gehört zur Geschichte des Hügels. Und all das wollen wir nächstes Jahr im Rahmen des Jubiläums dieses Ortes beleuchten.“
Forschungsprojekt zu Alfried Krupp und dem Nationalsozialismus
Die Stiftung will im kommenden Jahr auch Ergebnisse eines Forschungsprojekts zu Alfried Krupp und dem Nationalsozialismus öffentlich machen. „Wir werden dazu und zu vielen anderen Themen Diskussionsveranstaltungen anbieten, mit Sonderführungen werden wir bislang verschlossene Türen öffnen und neue Wege gehen“, kündigte Gather an.
Mit einem Anteil von rund 21 Prozent ist die Stiftung, die auf dem Gelände der Villa Hügel residiert, die größte Einzelaktionärin des heutigen Stahl- und Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp. Die gemeinnützige Stiftung ist das Vermächtnis von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, dem letzten persönlichen Inhaber des Unternehmens Krupp. Testamentarisch legte er fest, „die Firma über eine Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses Krupp sein soll, in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln“. Mit seinem Tod am 30. Juli 1967 ging sein gesamtes Vermögen auf die Stiftung über, die ihre Tätigkeit Anfang 1968 aufnahm. Die Stiftung verwendet die Erträge aus ihrer Konzernbeteiligung eigenen Angaben zufolge ausschließlich für gemeinnützige Zwecke. In den vergangenen Jahren blieben Dividendenzahlungen von Thyssenkrupp allerdings mehrfach aus.