Am Niederrhein.. Grünen-Politiker kritisiert große Handelsketten scharf und warnt vor dem „Tod der bäuerlichen Familienbetriebe. Weitere Hilfen für Landwirte gefordert
Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel hat die großen Lebensmittelketten wegen ihrer Preispolitik bei Milchprodukten scharf kritisiert. Dass Erzeuger teils nur noch 25 Cent pro Kilo Rohmilch erhalten, sei ein „Skandal“ und bedeute auf lange Sicht den „Tod der bäuerlichen Familienbetriebe“. Der grüne Minister sprach sich für faire Preise aus, forderte aber auch weitere Hilfen aus Berlin und Brüssel für die Landwirtschaft. Denkbar seien z. B. Ausfallprämien für Bauern und Molkereien, die weniger produzieren. So könnte der Markt entlastet werden.Vor allem die Landwirtschaft am Niederrhein leidet unter den desaströsen Preisen. Nirgendwo sonst in NRW gibt es so viele Milchkühe wie im Kreis Kleve.
Milcherzeugung bildet, zusammen mit dem Gartenbau, den wichtigsten Wirtschaftszweig für die Bauern in der Region. Allein im Kreis Kleve grasten zuletzt mehr als 56 400 Milchkühe. Doch die Preise für Rohmilch sind seit geraumer Zeit im Keller. 36 Cent pro Kilo müssten es eigentlich sein, damit die Landwirte über die Runden kommen (Milch wird in Kilo verrechnet). Tatsächlich werden aber seit vielen Wochen schon nur 26, zuletzt sogar nur noch 25 Cent gezahlt. Für viele Milchbauern geht es zunehmend um die nackte Existenz.
Landwirtschaftsminister Johannes Remmel warf den großen Lebensmittelketten gestern „unlauteren Wettbewerb“ vor. Der Grünen-Politiker forderte die Lebensmittelriesen auf, umgehend ihre Preispolitik zu korrigieren. Das niedrige Preisniveau macht sich für die Bauern bitter bemerkbar. Eine einfache Rechnung: Ein Milchviehhof hat in Nordrhein-Westfalen im Schnitt 60 Kühe im Stall, diese produzieren im Jahr insgesamt knapp 500 000 Liter Milch. Angesichts des zehn Cent niedrigeren Rohmilchpreises fehlen dem Hof am Jahresende 50 000 Euro in der Abrechnung.
Remmel forderte „stabile und faire Bedingungen“ für Landwirte, das EU-Soforthilfeprogramm reiche nicht aus. Der Minister plädierte für Ausfallprämien für Bauern oder Molkereien, die weniger produzieren. Wie beim Mindestlohn kann sich Remmel zudem auch Mindestpreise für Milch vorstellen. Discounter und Bauern sollten sich freiwillig auf faire Preise einigen.
Neben den Milchpreisen bereiten vor allem die steigenden Pachtpreise dem Minister Sorge. Vor allem der tägliche Flächenfraß durch den Bau von Häusern und Straßen macht bäuerliches Land knapp und treibt die Preise in die Höhe (die NRZ berichtete). Insgesamt bescheinigte der Minister der Landwirtschaft in NRW aber, gut aufgestellt zu sein. Knapp 34 000 bäuerliche Betriebe gibt es. Mit rund 400 000 Beschäftigten sei die Land- und Ernährungswirtschaft einer der größten Arbeitgeber im Land.
114 Höfe steigen auf Bio um
Nachdem es zuletzt eine Stagnation und sogar einen leichten Rückgang im Ökolandbau gab - NRW lag da im Bundestrend –, steigt die Zahl der Bio-Betriebe nun wieder. 114 Höfe, darunter einige große, wollen im nächsten Jahr von konventioneller auf Ökolandwirtschaft umsteigen, teilte Remmel mit. Sein Ministerium hatte vor einiger Zeit die Fördersätze spürbar erhöht. Die Zahl der geförderten Betriebe steigt auf 1570 – ein Plus von 5%. Áuch Förderangebote für eine bessere Haltung von Nutztieren seien stark gefragt.