Frankfurt/Main. Der Europäische Gerichtshof hat die Bahn dazu verpflichtet, Entschädigungen auch dann zu zahlen, wenn sich Züge aufgrund höherer Gewalt verspäten. Dagegen setzt sich Bahn-Chef Grube nun zur Wehr. In einem Brief an EU-Verkehrskommissar Kallas mahnt er einheitliche Wettbewerbsstandards an. Im Vergleich zu Flugzeug oder Bus werde die Bahn durch das Urteil benachteiligt.

Die Deutsche Bahn wehrt sich dagegen, anders als Fluggesellschaften, Bus- oder Schiffsunternehmen im Falle höherer Gewalt ihren Kunden Entschädigungen zahlen zu müssen. Bahn-Chef Rüdiger Grube habe in einem Brief an EU-Verkehrskommissar Siim Kallas eine Klarstellung gefordert, dass Bahnunternehmen im Falle höherer Gewalt für Verspätungen nicht verantwortlich gemacht werden dürften, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Montag. Die Bahn zahlte bei Verspätungen wegen Unwetter, Hochwasser oder Streik nach eigenen Angaben bislang aus Kulanz Entschädigungen; seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im September ist sie dazu rechtlich verpflichtet.

Das EuGH-Urteil sei ein Beleg für den "Geist des Verbraucherschutzes", zitierte die "FAZ" aus dem Brief Grubes, missachte aber das "legitime Bedürfnis nach einem einheitlichen Wettbewerbsstandard" zwischen Bahn sowie Flugzeug, Bus und Schiff. Der Bahn-Chef berufe sich bei seiner Forderung nach Klarstellung der EU-Fahrgastverordnung auf einen Bericht der EU-Kommission vom August, worin sie Ausnahmen von der Haftung angedeutet habe. "Eine Neuordnung des Rechtsrahmens würde weiteren Schaden an der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene abwenden", zitierte die Zeitung weiter aus dem Brief.

Fahrgast kann 25 Prozent des Fahrpreises zurückverlangen

Bei der Deutschen Bahn sind nach Unternehmensangaben bis Oktober rund eine Million Anträge auf Entschädigung wegen Verspätungen und Zugausfällen eingereicht worden. In 90 Prozent der Fälle hat die Deutsche Bahn ihren Angaben zufolge gezahlt.

Die Höhe der Rückerstattung des Fahrpreises richtet sich nach der EU-Fahrgastverordnung: Demnach kann ein Fahrgast 25 Prozent des Fahrpreises zurückverlangen, wenn die Verspätung 60 bis 119 Minuten beträgt. Bei Verspätungen von mehr als zwei Stunden hat er Anspruch auf die Hälfte des gezahlten Fahrpreises.

Das Urteil des EuGH vom September erging auf Vorlage eines österreichischen Gerichts, betrifft aber europaweit alle Bahnunternehmen: Klauseln in Beförderungsbedingungen, die Fahrpreisentschädigungen bei höherer Gewalt ausschließen, sind demnach ungültig. (afp)