Hagen/Münster. Dutzende Attacken auf Geldautomaten gab es 2022 in der Region. Als Gegenmittel könnten die Sparkassen weitere Automaten-Standorte streichen.

Der jüngste Vorfall ereignete sich erst vor wenigen Tagen. In der Nacht zu Freitag sprengten Unbekannte die Geldautomaten im Foyer einer Sparkassen-Filiale in Ahaus-Alstätte im Münsterland. Verletzte habe es glücklicherweise nicht gegeben, aber der Schaden war wieder einmal „erheblich“, wie Prof. Dr. Liane Buchholz sagt.

Laut der Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe habe es im vergangenen Jahr 28 Attacken auf Geldautomaten in ihrem Bezirk gegeben. Mehr als die Hälfte der Angriffe sei zwar „ergebnislos“ geblieben, aber im Erfolgsfall erbeuteten die Täter im Schnitt knapp 100.000 Euro. Hinzu kommen Sachschäden zwischen 10.000 und einer Million Euro. Betroffen von dem Problem sind auch Volksbanken in der Region, zuletzt etwa in Schmallenberg.

Die Täter gingen immer skrupelloser vor, sagte Buchholz bei der Jahres-Pressekonferenz ihres Verbandes, und offenbar finden die Automaten-Sprenger hierzulande ein Paradies vor. „Grundsätzlich haben wir in Deutschland einen Standortnachteil. Bargeld spielt hier eine viel größere Rolle als in den Nachbarländern. Außerdem gibt es bei uns viel mehr Geldautomaten, die mit größeren Summen befüllt sind. Das macht es so attraktiv für die Täter“, sagt Buchholz.

Eine der Konsequenzen: Die Zahl der Geldautomaten könnte möglicherweise weiter reduziert werden. Weniger Automaten bedeuten weniger potenzielle Ziele. Dies aber könnte gerade im ländlichen Raum zu Unmut führen.

Unbekannte Täter sprengten im März 2020 den Geldautomaten der Städtischen Sparkasse zu Schwelm an der Barmer Straße.
Unbekannte Täter sprengten im März 2020 den Geldautomaten der Städtischen Sparkasse zu Schwelm an der Barmer Straße. © WP | Privat

15 Prozent weniger Automaten

Bereits seit Jahren ist die Zahl der Geldautomaten im Bezirk des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe rückläufig. 2018 habe man noch 2586 Geldautomaten angeboten, aktuell seien es noch knapp 2217. Ein Rückgang von etwa 15 Prozent.

Ob dieser Trend fortgeführt wird und neben weniger Filialen demnächst auch weniger Geldautomaten zur Verfügung stehen? „Inwiefern es zu einem weiteren Rückgang kommt, das muss man abwarten“, sagt Buchholz. Es gebe „mehrere Tendenzen“, die hierbei eine Rolle spielten. Zum einen gehe es um die Sicherheit, zum anderen sei durch die Corona-Pandemie die bargeldlose Zahlung ohnehin auf dem Vormarsch. „Das hat die Notwendigkeit der Geldautomaten-Versorgung in der Fläche ein Stückchen reduziert, auch wenn wir immer noch ein sehr dichtes Netz an Geldautomaten haben“, so Buchholz.

Mehr als die Hälfte der Umsätze an den Ladenkassen werde inzwischen per Karte bezahlt, sagt Jürgen Wannhoff. Aber, ergänzt der Vizepräsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe: „Leider lieben die Deutschen – und das macht auch das Thema Sprengung immer wieder so relevant – nach wie vor das Bargeld, obwohl es auf dem Rückmarsch ist. Aber es ist noch verdammt viel Bargeld im Umlauf.“

Neuartige Automaten mit Stahl-Beton-Hülle

Im Kampf gegen die Automaten-Sprenger setzt der Sparkassenverband Westfalen-Lippe daher auf mehrere Maßnahmen. So seien 80 neuartige Geldautomaten, die von einer Stahl-Beton-Hülle geschützt sind und die nicht in oder an Gebäuden stehen, bereits im Bezirk aufgestellt worden, etwa in Recklinghausen, Gevelsberg oder Schwelm. In Hagen und Lüdenscheid seien sie zudem bestellt. Die Kosten werden mit 50.000 Euro angegeben – pro Stück. „Das ist schon eine gewaltige Summe“, sagt Wannhoff, der die Investitionen aber für gut angelegtes Geld hält: „Diese Geldautomaten sind wirklich sehr, sehr sicher.“

Daneben setzt die Sparkasse auf Abschreckung durch Ermittlungserfolge der Sicherheitsbehörden, auf (weitere) Nachtschließungen von Filialen oder auf eine Standortanalyse durch das Landeskriminalamt (LKA), um besser einschätzen zu können, welche Geldautomaten gefährdet seien. Diese Untersuchung sei „noch voll im Gange“, so Buchholz.

Sieht die Sparkassen im Kampf gegen Automaten-Sprenger auf dem richtigen Weg: Verbands-Präsidentin Liane Buchholz.
Sieht die Sparkassen im Kampf gegen Automaten-Sprenger auf dem richtigen Weg: Verbands-Präsidentin Liane Buchholz. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Katz-und-Maus-Spiel mit Tätern

Außerdem ergreife man technische Vorkehrungen, um Angriffe auf Geldautomaten zu verhindern, ganzheitliche Sicherungssysteme bis hin zur automatisierten Vernebelung. Auch Farbpatronen, durch die alle Geldscheine bei einer Explosion eingefärbt würden, kommen zum Einsatz. Erstes Problem dabei: Sogar für diese Beute gebe es inzwischen einen „veritablen Schwarzmarkt“, sagt Buchholz. Zweites Problem. „Wenn wir aufrüsten, rüsten die Täter auch auf. Die Täter haben ihre Strategie deutlich geändert, sie agieren noch skrupelloser, sie kommen mit Plastiksprengstoff, damit wird der Grad der Zerstörung noch mal deutlich erhöht“, so die Sparkassen-Chefin.

Immerhin sei die Zahl der Sprengungen leicht rückläufig (von 35 im Jahre 2021 auf zuletzt 28). „Die Ermittlungserfolge haben deutlich zugenommen und bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Buchholz.