Hagen/Düsseldorf. Verbraucherzentrale NRW berät Flutbetroffene zu Versicherungsfragen aktuell kostenfrei. Experte: „Jedes Haus ist falsch versichert“ – beinahe.
Die Sachschäden durch Starkregen und Hochwasser Mitte Juli sind immens. Häufig sind die Betroffenen – ob Mieter oder Hausbesitzer – schlecht oder gar nicht versichert, ist die Erfahrung der Verbraucherzentrale NRW mit Sitz in Düsseldorf. Aktuell möchte man dort mit einer kostenfreien Versicherungsberatung Betroffenen in ihrer aktuellen Notlage schnelle und unbürokratische Hilfe leisten.
Nur 45 Prozent der Häuser in NRW gegen Elementarschäden abgesichert
Ein halbstündiges Erstberatungsgespräch mit Juristen kostet bei der Verbraucherzentrale normalerweise 50 Euro. Rechtsberatung in Versicherungsfragen gehört für die Verbraucherzentralen zum Alltagsgeschäft, denn „Versicherungsfälle passieren jeden Tag tausendfach in Deutschland“, sagt Philipp Opfermann, Experte der Verbraucherzentrale NRW. Wenn Hauseigentümer nun ihr ganzes Hab und Gut verloren haben, kann eine halbstündige Beratung eine erste Orientierung geben, reicht bei Streitigkeiten aber oft auch nicht aus, räumt Opfermann ein.
Die Fragen, die den Experten der Verbraucherzentrale gerade gestellt werden, seien so unterschiedlich, wie die Schadensfälle. Mancher habe sein ganzes Haus verloren, bei anderen ist es nur eine feuchte Wand. Momentan gibt es viele allgemeine Fragen, die die Experten recht schnell beantworten können.
Konkret: War das Unwetter Mitte Juli auch ein Sturm, dessen Schäden in vielen Versicherungen abgedeckt wären? „Auch wenn Sturm herrschte, sind Elementarschäden wie Rückstau oder Überschwemmung eben nur mitversichert, wenn das explizit mit in den Versicherungsschutz aufgenommen wurde.“
Und den Schutz hat bei weitem nicht jeder, obwohl die für Privatleute laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für etwa 99 Prozent aller Privatgebäude in Deutschland möglich wäre, wenn auch mitunter mit einer Selbstbeteiligung. In NRW sind laut GDV lediglich 45 Prozent aller Häuser gegen Starkregen und Hochwasser versichert.
„Ich sage immer ein bisschen provokant, jedes Haus ist falsch versichert. Das stimmt leider aber oft auch“, lautet Opfermanns Erfahrung. Das fange bei Hausratversicherungen an, die häufig Jahre oder Jahrzehnte nicht aktualisiert werden. Inzwischen ist das Dach ausgebaut, so dass die Quadratmeterzahl nicht mehr stimmt. Versicherer können dann die Leistung kürzen. Die Hausratversicherung kommt für Schäden an nicht fest verbauten Gegenständen in der Wohnung oder dem Haus auf – in Bezug auf das Juliunwetter aber nur, wenn der Zusatzbaustein Elementarschäden abgeschlossen wurde. Keine Elementarschadenversicherung bei der Gebäudeversicherung abzuschließen, erscheint spätestens aus heutiger Sicht beinahe fahrlässig.
Ob dieser Zusatz-Baustein nun teuer ist oder nicht, verdeutlicht Opfermann an einem eingängigen Beispiel: „Für den 50.000 Euro teuren neuen Pkw wird selbstverständlich eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Für das 500.000 Euro teure Haus nicht...“ Dabei dürfte die „Vollkasko“ für das Eigenheim in den meisten Fällen weitaus günstiger sein als für das geliebte Auto.
Zeit für einen regelmäßigen Versicherungscheck ist gut investiert
Aus Sicht des Verbraucherschützers lohne es, sich regelmäßig seinen Versicherungsordner zur Hand zu nehmen und mit einem Experten durchzuschauen und den Versicherungsschutz zu überprüfen. Auch hier gilt: „Beim Hausbau verbringt man oft Wochen und Monate damit, die passende Fliese für das Gäste-WC auszusuchen und die Gebäudeversicherung ist in zehn Minuten abgeschlossen oder wird bei Bestandsimmobilien einfach übernommen“, regt Opfermann zum Nachdenken an.
Ein Versicherungscheck ist gut investierte Zeit, denn: Extreme Wetterlagen nehmen seit einigen Jahren in Deutschland zu. „Diese Schadensereignisse mit Hochwasser haben wir fast jedes Jahr. Es kann jeden treffen, nicht nur am Rhein, der Ruhr oder der Erft.“
Beispiel: Städte mit vielen versiegelten Flächen, wo Mitte Juli Straßen zu reißenden Flüssen wurden, weil die Kanalisation den Regen oder das Wasser verrohrter Bäche nicht mehr aufnehmen konnte. Das mussten viele Menschen in NRW und Rheinland-Pfalz vor fünf Wochen leidvoll feststellen.
Risiko-Check für Gebäude
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft bietet auf seinem Verbraucherportal www.dieversicherer.de einen Schnellcheck an, wie gefährdet die eigenen vier Wände bei Hochwasser oder Starkregen sind.Noch besser als gut versichert, sei gut gebaut, so Experte Opfermann: Regensichere Lichtschächte und richtig eingebaute Rückstauklappen könnten bereits gegen Wasser im Haus helfen.Im Schadenfall gilt: Schnell der Versicherung melden. Mit Fotos und Filmen dokumentieren. Gegebenenfalls einen Zeugen holen und Folgeschäden reduzieren. Die Erstmeldungen vom Schadenereignis Mitte Juli seien im Prinzip durch. Die Provinzial, großer Sachversicherer in Westfalen, meldete Anfang August bereits über 29.000 Sachschaden-Meldungen (ohne Kfz) im Zusammenhang mit dem Unwetter „Bernd“. Geschätzte Schadenhöhe: Mehr als 730 Millionen Euro. Knapp 130 Millionen Euro sind laut Provinzial an Entschädigungen bereits ausgezahlt worden.