Siegen. Die Lieferzeiten für Bestellungen unterscheiden sich je nach Wohnort stark. Was viele aber nicht wissen: Dafür reichen schon wenige Kilometer aus

Fehlt frisches Gemüse fürs Abendessen? Oder eine Luftmatratze für spontane Übernachtungsgäste? Kein Problem: Morgens bestellt, liegt der Einkauf oft schon wenige Stunden später vor der Haustür. Was in Großstädten wie Köln, München und Teilen des Ruhrgebiets schon seit einigen Jahren funktioniert, ist für die Menschen selbst in größeren Städten wie Hagen oder Siegen bisher nur Zukunftsmusik. Doch nicht nur das: Die Lieferzeiten unterscheiden sich hier manchmal sogar innerhalb eines Gebiets. Und wer im Umland lebt, ist häufig besonders benachteiligt.

Je nach Wohnort unterscheiden sich die Online-Angebote

Vielen Menschen seien die enormen Unterschiede gar nicht so bewusst, sagt Handelsexpertin Dr. Hanna Schramm-Klein von der Universität Siegen. Aber sicher sei: Bereits verhältnismäßig wenige Kilometer könnten eine deutlich längere Wartezeit bedeuten. Die gleiche Bestellung könne innerhalb von zwei Tagen in Siegen sein, aber vier Tage bis in den kleinen Nachbarort brauchen – auch, wenn der nur zehn Kilometer entfernt liege. Daraus ergebe sich schon fast eine Diskriminierung, sagt sie. Und das ausgerechnet für die Gebiete, die keinen so schnellen Zugang zu Einkaufsmöglichkeiten haben.

Ein Beispiel: Vor allem seit Corona bieten mehr Supermärkte Lieferdienste an. Darunter Edeka und Rewe, deren Filialen beinahe überall in Südwestfalen vertreten sind. Das heißt aber nicht, dass auch alle Kunden gleichermaßen davon profitieren können, weiß Schramm-Klein. Weil sich das Angebot je nach Wohnort unterscheidet.

Frische Waren gibt es in den meisten Städten nicht online

Ein Vergleich auf der Internetseite des Anbieters Rewe zeigt: Pakete werden zwar auch nach Hagen, Winterberg oder Olpe geliefert, allerdings betrifft das nur die Produkte aus dem sogenannten Marktplatz. Dabei handelt es sich um eine beschränkte Auswahl lediglich haltbarer Lebensmittel, die nicht aus dem eigentlichen Markt-Sortiment stammen. Die Lieferzeit beträgt in der Regel mehrere Tage.

„Ein Lieferservice direkt aus dem Markt heraus wird meist nur in Großstädten angeboten“, sagt die Professorin. „Dort kann man dann alles kaufen, was es auch wirklich in der Filiale gibt – vor allem auch frische Lebensmittel.“ Dieses Angebot geht über die Märkte selbst, die wenige Stunden später liefern. Kühlketten dürfen nicht unterbrochen werden, und das gelinge nur auf kurzen Distanzen.

Doch Lebensmittel seien eine Sache, sagt Schramm-Klein. Kleidung oder Elektronikartikel eine andere. Gibt es auch hier Unterschiede? Ja, sagt sie. „Die Lieferzeiten sind überall da länger, wo keine Logistikzentren in der Nähe sind.“ Viele Händler lagerten darin meist Standardwaren, die oft verkauft werden. Um sie einerseits schnell ausliefern zu können, und um Wegstrecke zu sparen.

Doch genau diese Logistik sei auch teuer und besonders für kleinere Anbieter nicht immer umsetzbar. „Die Waren selbst auszuliefern klappt auch nur bedingt, die meisten, die einen Online-Handel anbieten, müssen auf große Paketdienstleister zurückgreifen“, erklärt Schramm-Klein. Die haben wieder ein eigenes Vorgehen.

Pakete durchlaufen mehrere Verteilzentren bis zum Ziel

In der Regel sei es so, dass die Lieferungen mehrere Zentren durchlaufen müssten, bis sie ans Ziel kommen. Vor allem in ländlichen Regionen. Weil sie dort immer wieder sortiert und gebündelt werden. „Es wird versucht, das optimal zu gestalten. Und je weniger Lieferungen an einen Ort gehen, desto kleiner ist der Bündelungseffekt“, erklärt Schramm-Klein.

Wie groß die Unterschiede genau sind, das ließe sich nicht bestimmen. Und ergebe sich auch aus der Situation. „Wenn ein Bote nur ein Paket hat, das nach Kreuztal geht, lohnt sich der Weg nicht. Es wird schon versucht, ein sinnvolles Liefervolumen zu gestalten.“ Da könne es sein, dass ein Paket noch mal einen Tag liegen bleibt, so die Siegener Professorin.

Mit mehr Verteilzentren gäbe es kürzere Lieferzeiten

Die Deutsche Post betreibt Paketzentren, von wo aus die Waren verteilt werden. Für unsere Region gibt es eins in Hagen, eine Zustellbasis auch in Schwelm und Witten. Die anderen Zentren verteilen sich im Ruhrgebiet.

Um die Lieferungen weiter zu optimieren, seien weitere Verteilzentren nötig: Amazon etwa plant, ein Lager in Wenden zu bauen. „Dadurch könnten Menschen im Sauerland schnellere Lieferungen bekommen.“