Münster. Rekordvermögen und Rekord-Kreditvergabe kennzeichnen die Bilanz der Sparkassen in Westfalen-Lippe im Corona-Jahr. Für Kunden steigen die Kosten.

In der Corona-Krise haben die Sparkassen in Westfalen-Lippe (SVWL) so viel Geld verliehen wie noch nie zuvor. Gegenüber dem Vorjahr wuchs die Kreditsumme um über 5 Milliarden Euro auf 102,4 Milliarden Euro. Allein rund 2,5 Milliarden Euro an Corona-Hilfen wurden 2020 an 96.000 Antragsteller vermittelt.

Gleichzeitig häufte sich das bei den Sparkassen angelegte Vermögen der Privatkunden ebenfalls auf Rekordniveau. „Im Schnitt legten unsere Kunden jeden Werktag 130 Millionen Euro zusätzlich an dei Seite“, sagte Verbandspräsidentin Liane Buchholz am Dienstag bei der Jahresbilanz in Münster.

EZB-Politik kostet Millionen

Um acht Milliarden Euro wuchsen die Kundeneinlagen im vergangenen Jahr, davon knapp 6,5 Milliarden als Geldanlagen. Für die Sparkassen ein Problem. „Kundeneinlagen werden zu einer immer größeren Aufgabe“, verweist Buchholz auf die Kosten für die Kreditinstitute, die durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank entstünden. Kreditinstitute müssen bei der EZB dafür bezahlen, wenn sie eine bestimmte Summe an Rücklagen überschreiten und Geld dort „parken“. Rund 400 Millionen Euro habe die EZB-Politik die Sparkassen im Verband Westfalen-Lippe im vergangenen Jahr gekostet. Anders als in den meisten Staaten im Euroraum, werden diese Kosten in Deutschland nicht einmal steuerlich berücksichtigt. Verbandspräsidentin Liana Buchholz nennt dies „einen Skandal“, weil dies die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige.

Letztlich ist die Luft in der Branche so dünn geworden, dass die Kunden dies auf ihren Kontoauszügen sehen: Neukunden müssen bei ihrer Sparkasse in Westfalen-Lippe vermehrt mit Negativzinsen auf ihr Vermögen rechnen, in der Regel in der Höhe von 0,5 Prozent. „Die meisten Kunden haben zwischen 10.000 und 15.000 Euro auf dem Sparbuch oder Girokonto. Da werden die Sparkassen in der Regel keine Verwahrzinsen nehmen“, vermutet die Präsidentin. Allerdings sind die 57 Institute im Verband komplett eigenständig im Handeln. Bereits heute gingen demnach einige Institute auch auf Bestandskunden mit hohen Vermögen im sechsstelligen Bereich zu und verhandelten über Zinsen auf deren Guthaben.

Sparkassen im SVWL nach Bilanzsummen

Die höchste Bilanzsumme der 57 Sparkassen im Verband weist Münster mit 11,5 Milliarden Euro auf. Dortmund folgt auf zwei mit gut 11,1 Mrd. Euro. Auf Platz vier liegt Paderborn-Detmold mit gut 8,4 Mrd. Euro. Bochum folgt auf fünf. (8,25 Mrd. Euro).Vergleichsweise groß ist auch die Sparkasse Siegen (knapp 4,4 Mrd. Euro/Platz 11). Hagen/Herdecke liegt mit gut 3,5 Mrd. Euro auf Platz zwölf. Im Mittelfeld: Iserlohn (1,87 Mrd./26.); Gevelsberg (1,67 Mrd./29.) und Meschede (1,62 Mrd./ 30.)Weitere Sparkassen: Hochsauerland (1,475 Mrd./33.); Arnsberg (1,473 Mrd./34.); Hemer (1,374 Mrd./ 36.); Attendorn (1,2 Mrd.(38.); Olpe (1,1 Mrd./40.); Wittgenstein (978 Mio./42.); Schwelm (919 Mio./44.); Ennepetal (816 Mio./46.); Burbach (660 Mio./ 49.).

Der Druck in der Branche sorgt auch bei den Sparkassen in Westfalen-Lippe dafür, dass die weniger vermögenden Kunden zur Kasse gebeten werden. Die Kontogebühren dürften noch einmal steigen, kündigten Liane Buchholz und Vizepräsident Jürgen Wannhoff an. Auch hier gilt, dass dies je nach Sparkasse unterschiedlich sein kann.

Die meisten Corona-Hilfen vermittelt

Rekordkreditvergabe könnte auch Rekordrisiko bedeuten, wenn ab dem Frühjahr die erwartete Insolvenzwelle anrollt. Dass 96.000 Antragsteller über die Sparkasse Corona-Hilfen bekommen haben, lässt vermuten, dass die Sparkassen dann einiges Geld abschreiben müssen. „Noch nie haben wir so viele Förderkredite ausgereicht“, betont Vizepräsident Wannhoff. Angesichts der Entwicklung im vergangenen Jahr zwar nicht unbedingt überraschend, allerdings sind allein die 2,5 Milliarden Euro laut Sparkassenverband rund 40 Prozent aller beantragten Coronahilfen im Verbandsgebiet. Damit wären die Sparkassen die Hausbanken, die mit Abstand den größten Anteil an der Abwicklung der Hilfen hatten. Mit Blick auf Ausfallrisiken und den Folgekosten bleibt Verbandspräsidentin Buchholz entspannt: Die stark betroffenen Branchen wie Handel, Gastronomie oder Hotelerie machten lediglich sechs Prozent der Wertschöpfungskette aus. Viele dieser Unternehmen hätten zudem eher Lieferantenkredite angenommen als bei der Sparkasse anzuklopfen. „Ich glaube 2021 wird es bei uns nur geringe Ausfälle geben“, so Buchholz.

Auch die Sparkassengruppe selbst will weiter auf den Cent achten. Als Beispiel führt die Präsident die Verschmelzung der Provinzial-Versicherungen Westfalen und Rheinland an. „Corona erhöht die Notwendigkeiten“, so Buchholz. Allein das Thema Verschmelzung der Verbände Westfalen-Lippe und Rheinland bleibt ein Tabu – so groß ist der Druck dann doch nicht.